Chiune Sugihara (Yad Vashem)

Chiune (Sempo) Sugihara, geboren am 1. Januar 1900 in Yaotsu, war ein japanischer Diplomat und während des Zweiten Weltkriegs als Konsul des japanischen Kaiserreichs in Litauen eingesetzt. 1919 trat er in den diplomatischen Dienst ein, studierte Russisch und avancierte schnell innerhalb des Außenministeriums zum Russland-Experten. Nach seinem Abschluss leitete er das japanische Auslandsbüro in Mandschukuo, wo er 1932 den Kauf der Nordmandschurischen Eisenbahn von Russland an Japan verhandelte. 1935 verließ er aus Protest gegen das brutale Verhalten des japanischen Militärs gegen die chinesische Zivilbevölkerung die Mandschurei.

Nach einigen Zwischenstationen u.a. in Helsinki wurde Sugihara 1939 damit beauftragt, ein Konsulat in Kaunas zu eröffnen, der damaligen provisorischen Hauptstadt Litauens. Teil seiner Tätigkeit bestand u.a. darin, Japan über sowjetische und deutsche Truppenbewegungen im Ostseeraum zu informieren und geheimdienstliche Informationen über die Sowjetunion zusammenzutragen.

Nach der Invasion Polens durch die deutschen Truppen im September 1939 waren hunderte Juden nach Litauen geflohen und berichteten von Massenerschießungen und Vernichtung. Sie versuchten verzweifelt, Transitvisa zu bekommen, die ihnen die Flucht in eines der wenigen zur Aufnahme von verfolgten Juden bereiten Länder ermöglichten. Sugihara konnte zwar vereinzelt japanische Transitvisa ausstellen, doch die japanische Regierung verlangte, dass die Weiterreise aus Japan in das Aufnahmeland gesichert und entsprechende finanzielle Mittel vorhanden waren. Auch Sugiharas Eil-Telegramme, eine Ausnahmegenehmigung für die jüdischen Flüchtlinge zu erwirken, wurden von seiner Regierung jeweils negativ beschieden mit der Aufforderung, sich strikt an die Vorschriften zu halten.

Juli 1940 Jüdische Flüchtlinge vor den Toren der japansichen Botschaft in Kaunas (Yad Vashem)

Ende Juli 1940 war der verzweifelte Andrang von Juden, gleich ob aus Kaunas stammend oder dorthin geflüchtet, in seinem Konsulat so groß, dass er sich – unterstützt von seiner Frau Yukiko – entschloss, die Anweisungen aus Japan zu ignorieren und eigenmächtig zu handeln: Die Flüchtlinge hatten dank des niederländischen Konsuls in Kaunas, Jan Zwartendijk, ein Fluchtziel aufgetan, nämlich die holländische Insel Curaçao in den Niederländischen Antillen, die offiziell kein Einreisevisum verlangte, so dass Zwartendijk (mit Rückendeckung des Generalkonsuls in Riga) Curaçao End-Visa aushändigte. Sugihara stellte die notwendigen Transitvisa für Japan aus, die wiederum Bedingung für das Ausreisevisum aus der Sowjetunion waren. 

Sugihara arbeitete gegen die Zeit, denn nach der sowjetischen Besetzung Litauens am 15. Juni 1940 sollten alle diplomatischen Vertretungen dort geschlossen werden. Er beantragte bei den sowjetischen Behörden eine Verlängerung der Frist zur Schließung des Konsulats und bekam einen Aufschub von 20 Tagen.

In weniger als einem Monat stellte Sugihara, wie erhaltene Dokumente zeigen, mindestens 2.139 Einzel- und Familien-Visa aus und rettete so über 6.000 Juden – unter ihnen ganze Familien – das Leben. Auch nach der endgültigen Schließung des Konsulats am 28. August stellte er in den Tagen bis zu seiner Abreise aus Litauen in der Hotellobby unermüdlich Visa aus. Zeugen bestätigten, dass er noch im Zug „blanco“-Visa ausstellte, sie aus dem Zugfenster reichte und schlussendlich die Visa-Stempel zur weiteren Nutzung aushändigte. Fast alle nach Japan gerettete Juden waren polnische Flüchtlinge, da litauischen Juden als neuen Bürgern der Sowjetrepublik die Ausreise ab dem 3. August 1940 untersagt war.

Sugihara-Gedenkstein IX. Fort (fcit)Das japanische Außenministerium verzichtete zunächst auf Disziplinarmaßnahmen gegen Sugihara und versetzte ihn nach Königsberg, Prag und Bukarest, wo er das Ende des Krieges erlebte und mit seiner Familie vorübergehend in sowjetische Kriegsgefangenschaft (18 Monate in einem POW) geriet. 1947, kurz nach seiner Rückkehr nach Japan, wurde Sugihara aus dem japanischen auswärtigen Dienst entlassen. Er verstand dies als Konsequenz seiner Befehlsverweigerung als Konsul in Kaunas. Von nun an musste er seinen Unterhalt mit Gelegenheitsarbeiten z.B. als Übersetzter verdienen. Mitte der 60er Jahre wurde er Manager einer Handelsagentur in Moskau, wo er 16 Jahre lang – meist getrennt von seiner Familie – lebte.

Dort wurde er von einem der dank seiner Visa-Erteilung Geretteten 1969 aufgespürt. Unzählige Zeugenaussagen veranlassten Yad Vashem im Jahr 1985, ihm die Auszeichnung „Gerechter unter den Völkern“ zu verleihen. Seither erhielt Sugihara weltweit zahlreiche Ehrungen. In Vilnius sind eine Straße nach ihm benannt und zwei Denkmäler zu seiner Ehre errichtet. Sugihara starb am 31.07.1986 in seinem Haus nahe Tokio, seine Ehefrau Yukiko verstarb 2008.

After struggling and agonizing, I concluded that humanity is paramount. Then, fearing nothing, I decided to issue those visas.

 

An Sugihara erinnert eine Gedenktafel am Sugihara-Haus und ein Gedenkstein im IX. Fort.

Museum Sugihara House
Vaižganto 30, Kaunas, Lithuania, LT-44229
Mob.: +370 698 02 184 Phone/Fax.: +370 37 332881
[email protected]
http://www.sugiharahouse.com/en

Literatur / Medien
Akabori, Anne: The gift of life, San Francisco CA 2005; Dieckmann, Christoph (2011), S. 154f.; Guzenberg, Irina: Vilnius. Sites of Jewish Memory. A Concise Guide, Vilnius 2013, S. 57; Sugihara, Yukiko: Visas for life, übersetzt von Hiroki Sugihara u. Anne Akabori, San Francisco CA 1995
http://www.sugihara-museum.jp/about/index_en.html (Zitat)
http://www.yadvashem.org/yv/de/righteous/stories/sugihara.asp (Fotos ohne Angaben)
http://www.visasforlife.org/sugihara.html
http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/Holocaust/sugihara.html
https://www.ushmm.org/wlc/en/article.php?ModuleId=10005594
https://www.facinghistory.org/resource-library/yukiko-sugiharas-testimony 
http://fcit.usf.edu/holocaust/photos/ninth1/ninth130.HTM (Fotos Gedenktafel / Gedenkstein IX. Fort)

Videos von Geretteten:
https://www.youtube.com/watch?v=mgR6dB9rpw8
https://www.youtube.com/watch?v=b3fXn4NaOeg
https://www.facinghistory.org/rescuers/chiune-sugihara