Hans-Joachim Böhme (Yad Vashem)Hans-Joachim Böhme, geboren am 10. Januar 1909 in Magdeburg, Jurastudium in Halle und Rostock, trat 1933 der NSDAP und der SS bei. Von 1938 bis 1940 arbeitete er bei der Gestapo in Kiel, wo er zum Regierungsassessor und zum SS-Hauptsturmführer, später zum SS-Sturmbann- und SS-Standartenführer aufstieg. Im Oktober 1940 wurde Böhme Chef der Staatspolizeistelle (Stapo) in Tilsit, die unmittelbar nach Kriegsbeginn im Juni 1941 gemeinsam mit der SiPo und dem Sicherheitsdienst (SD) Tilsit das „Einsatzkommando Tilsit“ einrichtete, das einzig für die Verfolgung und Ermordung von Juden und Kommunisten im litauischen Grenzgebiet verantwortlich war. Böhme war als Leiter des Einsatzkommandos bereits am ersten Massenmord im Gargždai/Garsden am 24. Juni 1941 und an späteren Mordaktionen beteiligt. Als einer der Hauptangeklagten im Ulmer Einsatzgruppenprozess von 1958/59 berief sich Böhme auf einen Befehl des Kommandeurs der Einsatzgruppe A, Stahlecker, der – wie ein später aufgefundenes Dokument zeigt – einen solchen Befehl nicht erteilt, aber am Tag des Massenmordes (24. Juni 1941) sein grundsätzliches Einverständnis zu den „Säuberungsaktionen“ in der Grenzregion erklärt hatte (VEJ 2011 bzw. Stapo-Tilsit Report). Dem Einsatzkommando Tilsit fielen bis Oktober 1941 ca. 6.000 Menschen zum Opfer, Kommunisten, jüdische Männer, Frauen und Kinder. Ab Oktober 1943 wurde Böhme Kommandeur der SiPo und des SD in Rowno (Weißrussland), anschließend in Shitomir (Ukraine). Im Mai 1944 übernahm er die Führung des Einsatzkommandos 3 in Litauen, bevor er zum Jahreswechsel 1944/45 ins Reichssicherheitshauptamt nach Berlin versetzt wurde.

Nach dem Krieg lebte er unter falscher Identität zunächst als landwirtschaftlicher Arbeiter im Kreis Lüneburg. In seinem Meldebogen für die Entnazifizierung vom 30.9.1948 verschwieg er seine frühere Mitgliedschaft bei der NSDAP und seine frühere Tätigkeit bei der Gestapo, so dass er am 30.10.1948 von der Spruchkammer Karlsruhe als „vom Gesetz nicht betroffen“ erklärt wurde. Bis zu seiner Festnahme im August 1956 arbeitete er als Steuerberater und Wirtschaftsjurist in Karlsruhe. Im Ulmer Einsatzgruppenprozess wurde Böhme wegen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 3.907 Fällen zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt. Böhme starb am 31. Mai 1960.


Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 379ff.; Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt/M. 2003, S. 59; Justiz und NS-Verbrechen, Band XV, Verfahren Nr. 465 (http://www1.jur.uva.nl); VEJ 2012, Bd. 7 / Dok. 14, S. 143-144; Wild, Michael: Generation der Unbedingten – Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2003

https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Joachim_Böhme
http://phdn.org/archives/holocaust-history.org/german-trials/einsatz-ulm.shtml (Ulmer Einsatzgruppenprozess)
https://www.ulm.de/der_ulmer_prozess (über den Ulmer Einsatzgruppenprozess)
http://www.spiegel.de/einestages/ns-prozesse-a-946905.html
http://kehilalinks.jewishgen.org/tilsit-report (Die Stapostelle Tilsit meldet dem RSHA am 1. Juli 1941 von ihr durchgeführte Massaker an Juden und Kommunisten im Memelgebiet)

Foto: Yad Vashem, Digital Collections, Photo Archive, Archival Signature: 4577/569, Item ID 70501