Kazys Škirpa ca. 1938Kazys Škirpa, geboren am 18. Februar 1895 im heutigen Pasvalys (Bezirk Panevėžys), nahm bereits an den Unabhängigkeitskämpfen 1918/20 teil (Litauische Geschichte) und entwickelte sich bis Ende der 1930er Jahre zu einem der extrem-nationalistischen Politiker Litauens. Beruflich absolvierte er noch im zaristischen Russland eine Offiziersausbildung, nach 1918 folgten weitere militärische Ausbildungen im In- und Ausland, bevor er 1927 in den litauischen diplomatischen Dienst eintrat. In den 1930er Jahren war er zunächst Militärattaché, 1939/40 litauischer Gesandter in Berlin.

Škirpa war Vertreter des litauischen Rechtsextremismus, eines faschistischen Weltbildes mit Führerkult und mit der Forderung, die litauischen Juden aus dem Land zu vertreiben. Er gründete im November 1940 mit anderen litauischen Exilpolitikern in Berlin die Litauische Aktivistenfront (LAF), der mehrere hundert Exil-Litauer beitraten und deren Hauptziel die Befreiung Litauens vom Sowjetsystem, die Vertreibung der Juden aus Litauen und die Wiederherstellung eines litauischen Nationalstaates war. Die LAF-Führung stand in engem Kontakt zu befreundeten NS-Politikern und Militärs, war früh von den deutschen Einmarschplänen informiert und bereitete die litauischen Aufstandsgruppen gegen das Sowjetsystem parallel zum deutschen Einmarsch in Litauen vor. Škirpa selbst war vom deutschen Geheimdienst als Agent angeworben worden und von der LAF als Ministerpräsident einer ersten litauischen Regierung vorgesehen. Seine Rückkehr mit den einmarschierenden deutschen Truppen nach Litauen im Juni 1941 wurde jedoch von deutscher Seite verhindert, weil die Aktivität selbst eines profaschistischen Agitators für ein eigenständiges Litauen unerwünscht war – Hitler wollte kein baltisches Protektorat, sondern den baldigen Anschluss dieser Länder an das Deutsche Reich. Škirpa wurde lediglich 1943 ein kurzer Aufenthalt in seiner Heimat erlaubt. Er musste bis Kriegsende in Deutschland bleiben und wanderte danach über Frankreich und Irland 1949 in die USA aus, wo er in Washington D.C. am 18. August 1979 starb. Škirpa und die LAF-Führung wurden wegen ihrer propagandistischen und ideologischen Unterstützung des deutschen Einmarschs in Litauen und wegen ihres Konzepts eines von Juden „gesäuberten“ Litauen als „Kollaborateure vor der eigentlichen Kollaboration“ bezeichnet (Karlis Kangeris, schwedischer Historiker, zit. in Gräfe).

Bis heute wird Škirpa in Vilnius mit der Benennung einer Allee im Zentrum der Stadt als Nationalheld geehrt. Alle Bemühungen um eine Namensänderung – zuletzt 2016 nach einer monatelangen öffentlichen Debatte und einer Konferenz unter Beteiligung von Historikern – sind bislang gescheitert. Die deutsche Ausgabe von Wikipedia (2017) erwähnt im Unterschied zur englischsprachigen Ausgabe (2017) in ihrer Škirpa-Biographie die faschistisch-antisemitische Grundhaltung Skirpas und dessen Mitverantwortung für die litauische Kollaboration beim deutschen Einmarsch in Litauen und für die Vorbereitung der danach folgenden Jagd auf Juden und Kommunisten durch litauische „Aufständische“ mit keinem Wort.

Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 246ff.; Gräfe, Karl Heinz: Vom Donnerkreuz zum Hakenkreuz. Die baltischen Staaten zwischen Diktatur und Okkupation, Berlin 2010 (Zitat Kangeris S. 144ff.)
 
https://de.wikipedia.org/wiki/Kazys_Škirpa (Foto)
https://en.wikipedia.org/wiki/Kazys_%C5%A0kirpa
http://www.lzb.lt/en/2016/11/30/chairwoman-faina-kuklianskys-statement-on-renaming-kazys-skirpa-alley-in-vilnius/
http://markasftw.com/skirpos-aleja-nazi-collaborator