Bevölkerungszahlen
Bezogen auf die Einwohnerzahl(en) des Besatzungsgebiets Litauen und der Städte wie Regionen des Landes gibt es für die Jahre der deutschen Besatzung (1941- 1944) keine genauen Daten, die jeweils ein exaktes Bild der mörderischen Bevölkerungsverluste und -verschiebungen vermitteln können. Es können z.B. keine exakten Zahlen, allenfalls Größenordnungen für die Stadt Vilnius und die von Terror, Flucht und Vertreibung betroffenen Bevölkerungsgruppen mit einem relevanten Stichtag genannt werden; selbst eine halbwegs genaue Einwohnerzahl für Vilnius etwa im Jahr des deutschen Einmarschs ist nicht bekannt: die Angaben bewegen sich zwischen 200.000 und 250.000. Allein schon der Zustrom von Flüchtlingen aus Polen nach dem deutschen Angriff am 1. September 1939 und die Fluchtbewegung nach dem deutschen Einmarsch im Juni 1941 in Richtung Sowjetunion, erst recht das Fehlen irgendwelcher offiziellen Erhebungen machen die vorgefundenen Datenunsicherheit deutlich. Sofern nicht situations- oder ortbezogen plausible Zahlenangaben der Literatur zu entnehmen sind, werden die Angaben aus Wikipedia zugrunde gelegt.

Opferzahlen
Zahlenangaben zu den Todesopfern der Kriegs- und Besatzungsverbrechen während der deutschen Okkupation Litauens 1941-1944, die in Literatur und Medien genannt oder wiedergegeben werden, sind aus Mangel an Dokumenten häufig das Ergebnis von Schätzungen, die aus unterschiedlichen Anhaltspunkten in Zeitzeugenberichten und früheren oder neueren Dokumenten zusammengetragen wurden, deshalb oft auch widersprüchlich sind. Von Ausnahmen abgesehen – später aufgefundene Dokumente oder der erhalten gebliebene Jäger-Bericht – geben diese geschätzten oder ungefähren Zahlenangaben jedoch die Dimension der Massenmorde, der Deportationen und der ums Leben gekommenen sowjetischen Kriegsgefangenen plausibel wieder. Dass Aufzeichnungen auch mit Zahlenangaben von Opfern selbst - wie etwa die von Herman Kruk verfasste Chronik, das Ghetto-Tagebuch von Abraham Sutzkever oder jenes von Grigorij Schur überhaupt verfasst wurden und uns Einblicke auch in alltägliche Ereignisse des erlebten Terrors verschaffen, bleibt von unschätzbarem Wert. Insgesamt jedoch ist die in Zahlen gefasste Umschreibung der Verbrechen unbestreitbar. Für das ehemalige Besatzungsgebiet Litauen gilt: nach vorsichtiger Schätzung sind in der Verantwortung der Wehrmacht 1941-1944 ca. 170.000 sowjetische Kriegsgefangene auf litauischem Boden zu Tode gekommen; zwischen 200.000 und 220.000 Juden wurden ermordet; ca. 30.000 bis 40.000 sowjetische Zivilevakuierte gingen zu Grunde; ungefähr 2.000 Kommunisten sind schon in den ersten Tagen nach dem deutschen Einmarsch im Juni 1941 ermordet worden.

Bei Angaben zu örtlichen Verbrechen ist nicht selten ein Widerspruch festzustellen zwischen z.B. Opferzahlen, die auf Gedenksteinen aus den Jahrzehnten vor 1990 eingraviert sind und dem Ergebnis späterer Forschungen. Zwei Beispiele:

Bereits 1944 begannen sowjetische Kommissionen mit der Exhumierung von Massengräbern. Die in Alytus tätige Kommission stieß in 136 Massengräbern auf etwa 16.150 Leichen und schätzte die Gesamtzahl der dort zu Tode gekommenen Kriegsgefangenen auf 30.000 bis 40.000; ein überlebender Gefangener dieses Lagers kam auf Grund eigener Schätzung auf die Zahl von ca. 20.000 Opfer bis August 1942; der Historiker Dieckmann kommt zu dem Schluss, es sei angesichts der unterschiedlichen Quellen plausibel, die Mindestzahl der im Lager Alytus ermordeten Kriegsgefangenen bei 20.000 einzusetzen.

Gedenkstätten für jüdische Opfer entstanden häufig bereits in den Jahren zwischen 1950 und 1990 auf der Grundlage von Zeitzeugenberichten und Erinnerungen, so auch der wahrscheinlich im Jahr 1953 errichtete Gedenkstein für die in Ukmerge ermordeten Juden, der "10.239 unschuldige litauische Bürger - Söhne und Töchter des jüdischen Volkes" nennt. Diese Angaben entsprachen dem damaligen Kenntnisstand, der wahrscheinlich Mordtaten auch in der Umgebung Ukmerges einbezog, die von späteren Forschungen einzelnen Orten der Umgebung zugeordnet werden konnten. Der 2011 publizierte Holocaust Atlas nennt vor dem Hintergrund nicht zu schließender Forschungslücken für Ukmerge die Zahl der jüdischen Opfer " zwischen 6.300 und 10.000".

Literatur / Medien
Eine Übersicht zu diesen Gesamtzahlen ist zu finden bei: Dieckmann (2011), Bd. II, S. 1350f., 1528ff. und Gräfe: Vom Donnerkreuz zum Hakenkreuz, 2010, S. 181ff; 224ff.
Lithuanian Holocaust Atlas 2011, S. 286-288
https://en.wikipedia.org/wiki/Demographics_of_Lithuania
https://en.wikipedia.org/wiki/Demographic_history_of_the_Vilnius_region