Woiwodschaft Lublin/Wojew. Lubelski

Karte des Vernichtungslagers; © Bildungswerk St. Hantz

Systematischer Judenmord durch Gas
"Aktion Reinhardt" war die Tarnbezeichnung für die systematische Ermordung der Juden aus dem Generalgouvernement in den Gaskammern der deutschen Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka. Die – im Rücken der Wehrmacht operierenden - deutschen SS-Einsatzgruppen und Ordnungspolizei hatten nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941 mit den Massenerschießungen in den eroberten Gebieten den systematischen Judenmord eingeleitet. Die NS-Führung sann auf eine effizientere Tötungsart, um die sog. „Endlösung“ möglichst zügig zu realisieren. Etwa zeitgleich mit der Eröffnung des Vernichtungslagers für den Warthegau in Kulmhof/Chełmno nad Nerem (heute: Woiw. Großpolen/Wielkopolski) beauftragte SS-Reichsführer Himmler den Lubliner SS- und Polizeiführer Odilo Globocnik mit der „Aktion Reinhardt“.
Im November 1941 begannen Planung und Bau der drei genannten Vernichtungslager, in denen die Menschen in Gaswagen und Gaskammern ermordet wurden. Die Morde wurden von den Tötungsspezialisten der „Aktion T4“ ausgeführt; diese waren Globocnik von der Organisation T4 in der (Privat-) Kanzlei Hitlers zur Verfügung gestellt worden.

Das Vernichtungslager
Als erste Vernichtungsstätte wurde im März 1942 Belzec in Betrieb genommen. Über die Zahl der bis Dezember 1942 ermordeten Männer, Frauen und Kinder gibt es keine Dokumente. Heute wird die Zahl von 470.000 jüdischen Menschen vor allem aus Südostpolen und Galizien (heute: Ukraine) als realistische Schätzung angesehen. Hermann Höfle, der stv. Leiter der Aktion Reinhardt, berichtet in einem Telegramm vom 11. Januar 1943 von 434508 Toten (zu den Zahlen vgl. Kuwalek, S. 237ff.; Lehnstaedt, S. 84ff.).
Das Lager lag – wie die anderen Todeslager – in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs. Er verfügte über eine bereits vorhandene Bahnrampe und einen guten Anschluss an Verkehrswege. Es lag an der vielbefahrenen Zugstrecke und der Verbindungsstraße von Lwów/Lemberg nach Lublin und weiter nach Warschau.
Erster Lagerkommandant war SS-Hauptsturmführer Christian Wirth, der führend u.a. an der Ermordung Kranker und Behinderter im Reich (Aktion T 4) mitgewirkt hatte. Die dort entwickelte Mordmethode – Erstickung durch Kohlenmonoxid aus Fahrzeugmotoren – wurde auch in Belzec angewendet.

Ankunft der Transporte
Die ersten Deportationstransporte trafen Mitte März 1942 aus dem Distrikt Galizien (Kreis Lemberg; heute Lviv, Ukraine) ein: etwa 15000 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Am 16./17. März kamen die ersten Züge aus Lublin, bis 23. März etwa 18.000 Menschen. Es folgten Züge mit jüdischen Menschen aus den Dörfern um Lublin, z.B. Piaski, Izbica, Kranystaw, Zamość, Rzeszow, Tarnów, Przemysl. Anfang Juni kamen mehrere Transporte mit 5000 bis 7000 Juden aus Krakau an. 
Bei der Ankunft im Lager gab es keine Selektionen, denn alle Ankömmlinge waren zur sofortigen Vergasung bestimmt – mit Ausnahme einer kleinen Zahl von „Arbeitshäftlingen“. 

Tötung in der Gaskammer
Auf dem Platz an der Rampe wurde den Deportierten gesagt, nach der Desinfektion kämen sie zur Arbeit in ein anderes Lager. Ihnen wurde befohlen sich auszuziehen, ihre Kleidung und Wertgegenstände abzugeben, ihre Sachen würden sie nachher wiederbekommen; den Frauen wurde die Haare geschoren. Dann wurden sie urch einen schmalen Gang (auch „Schlauch“– gennant) als Sichtschutz waren in den Zaun Kiefernzweige geflochten und fast immer unter heftigen Schlägen und Prügel in die angebliche Badebaracke getrieben, die Tore wurden verschlossen. Die Motoren-Abgase wurden durch Rohre in die Gaskammer geleitet und bewirkten den Tod der Menschen, nach etwa 20 Minuten (näheres vgl. Kuwalek, S. 183ff.; Bericht des Überlebenden Rudolf Reder unter Belzec – Gedenkstätte und Museum).
Die Gaskammer wurde von T 4-Leuten bedient, Trawniki-Männer mussten dabei helfen.


 Eingang zur GedenkstätteSchlackefeld, darunter die Asche der Ermordeten













Auflösung des Lagers
Der letzte Transport traf am 11. Dezember 1942 ein. Danach wurden Transporte aus den Distrikten Galizien und Krakau nach Sobibor umgeleitet.
Ein Sonderkommando aus „Arbeitshäftlingen“ sollte die Spuren der Morde beseitigen (vgl. Aktion 1005). Die Massengräber wurden geöffnet, die verwesenden Leichen mit Kränen herausgehoben und auf primitiven „Rosten“ aus Eisenschienen und -Schwellen verbrannt (s. Foto bei Belzec – Gedenkstätte). Danach wurden die Gebäude abgerissen, verwertbare Teile in andere Lager gebracht, die Unterlagen verbrannt. Das Gelände wurde dem Erdboden gleichgemacht und mit jungen Kiefern bepflanzt. - wohl um auch die letzten Spuren des Lagers zu verwischen.
Den letzten Häftlingen wurde vorgespiegelt, dass sie nach Abschluss der Arbeiten in ein „Arbeitslager ihrer Wahl“ gebracht würden. Als sie erkannten, dass sie nach Sobibor transportiert wurden, schrieben einige Zettel und versteckten sie in ihrer Kleidung, wo sie in der Sortierbaracke entdeckt wurden (vgl. Sobibor – Häftlingsaufstand). Auf einem Zettel stand: „Versteht endlich, dass nach uns auch auf Euch der Tod wartet. Rächt uns!“ So hatten sie die Sobibor-Häftlinge noch warnen können. Die Häftlinge aus Belzec wurden sofort nach ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet.

Literatur/Medien
Berger, Sara: Experten der Vernichtung. Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka, Hamburg 2013
Bildungswerk Stanisław Hantz: Belzec (Broschüre), Kassel 2016
Kuwalek, Robert: Das Vernichtungslager Bełżec, 2. Auflage, Berlin 2014
Lehnstaedt, Stephan: Der Kern des Holocaust. Bełżec, Sobibór, Treblinka und die Aktion Reinhardt, München 2017
Reder, Rudolf: Bericht über Bełżec, in: Benz, Wolfgang/Distel, Barbara/Königseder, Angelika (Hg.): Nationalsozialistische Zwangslager. Strukturen und Regionen – Täter und Opfer, Dachau 2011, S. 351ff.; auch in: Bildungswerk Stanisław Hantz: Der Tod war sowieso gewiss. Das Vernichtungslager Bełżec in den Berichten von Rudolf Reder und Chaim Hirszmann, Kassel 2017.
http://www.deathcamps.org/belzec/belzec_de.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Vernichtungslager_Belzec
https://fr.wikipedia.org/wiki/Centre_d%27extermination_de_Be%C5%82%C5%BCec