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Lyon

Region Rhône-Alpes, Departement Rhône

Der Ort
Großstadt am Zusammenfluss von Rhône und Saône,  500000 Einwohner/innen; im Ballungsraum 'Métropole de Lyon' oder 'Grand-Lyon' wohnen etwa 1,3 Millionen Menschen; Hauptstadt der Region Rhône-Alpes und des Departements Rhône; die Métropole de Lyon hat einen Sonderstatus, sie ist Gemeindeverband und ersetzt auf ihrem Gebiet das Departement. TGV-Bahnhof; Autobahnen A 6/A 7 (Paris 470 km; Marseille 315 km), A 36 Mulhouse/Freiburg/D (430 km), A 42/A 40 (Genf 150 km), A 89 (Bordeaux 590 km).

Rathaus und Oper; © Wikipedia Saône-Ufer; © Wikipedia Altstadt von Lyon; © Wikiwand

Die Ereignisse
„Hauptstadt des Widerstands“
Lyon war ein Zentrum der Résistance in der – bis November 1942  - unbesetzten Südzone. Ab Herbst 1940 bildeten sich Vichy- und deutschfeindliche Diskussionsgruppen. Vor allem Flüchtlinge aus der besetzten Nordzone, aus Lothringen und Elsass, Juden und Ausländer kamen in ihnen zusammen. Sie gaben Flugblätter und bald darauf illegale Zeitungen heraus, mehrere Druckereien brachten sie 1943/44 in z.T. hohen Auflagen heraus (die Setzmaschine einer  illegalen Druckerei befindet sich im Museum). Aus ihnen entwickelten sich wenig später Widerstandsbewegungen wie Combat, Franc-Tireur, Libération-Sud. Auch christliche Gruppen sowie Gewerkschafter und Kommunisten hatten hier ihren Sitz für die Südzone. Die Zentren der Widerstandsorganisationen für die Süd-Zone saßen fast alle in Lyon, ebenso ein Großteil der Untergrund-Presse.
Fluchthilfeorganisationen operierten von Lyon aus, eine breite Streikbewegung im September 1942 gegen die STO-Zwangsarbeit in Deutschland nahm hier ihren Ausgang (vgl. Oullins, Vénissieux). Unter der deutschen Besatzung intensivierte sich der Widerstand, die Bewegungen schlossen sich unter Jean Moulin zu den MUR und später zum CNR (Nationaler Widerstandsrat) zusammen; bewaffnete Aktionsgruppen kamen hinzu. Lucie Aubrac beschreibt in ihrem Buch 'Heldin aus Liebe' sehr anschaulich die Aktivitäten und das Klima. Der Volksaufstand im benachbarten Villeurbanne im August war das Präludium für die Befreiung mit alliierter Hilfe Anfang September 1944.
Bekannte Widerstandskämpfer/innen waren zumindest zeitweise in Lyon tätig, z.B.
Bertie Albrecht, Lucie Aubrac, Raymond Aubrac, Charles Delestraint, Henny Dreifuss, Yves Farge, Henri Frenay, Jean-Pierre Lévy, Serge Ravanel, Dora Schaul.
 
Repression
Lyon war nach der deutschen Besetzung auch ein Zentrum der Repression. Der SD/die Gestapo und ihre Chefs Werner Knab und Klaus Barbie verfolgten Juden und Oppositionelle mit Hartnäckigkeit und Grausamkeit. Folterkeller befanden sich u.a. in der Avenue Berthelot Nr. 14 (heute Widerstandsmuseum) und am Place Bellecour/Ecke 7 Rue Saint-Exupéry. U.a. Jean Moulin und der Chef der AS-Geheimarmee, General Charles Delestraint wurden von ihnen verhaftet und gefoltert (vgl. Caluire-en-Cuire).

ehem. Gestapo-Gebäude, Ave. Berthelot Gedenktafel an Gestapo-Folterkeller am Place Bellecour

Zwischen 1940 und 1944 wurden, zunächst vom Vichy-Regime, dann vor allen von den deutschen Besatzern tausende Widerstandskämpfer, Juden und Geiseln in den Gefängnissen Saint-Paul (37 Cours Suchet, Nähe Bahnhof Lyon-Perrache), Saint-Joseph (Frauen) und Prison Montluc inhaftiert. Das Fort Montluc wurde im November 1942 von den Deutschen in Beschlag genommen. In der Folge war es ständig überbelegt. Bis August waren zwischen 9000 und 10000 Männer, Frauen und selbst Kinder (z.B. aus dem jüdischen Kinderheim in Izieu) inhaftiert; darunter waren viele Widerstandskämpfer/innen. Eine große Zahl kam z.B. nach Folter um, wurde erschossen oder in die KZ deportiert. Allein zwischen April und August 1944 wurden 780 Gefangene aus dem Gefängnis Montluc geholt und an verschiedenen Orten in der Umgebung erschossen: 32 am 16. Juni in Saint-Didier-de-Formans/Ain, 120 am 20. August in Saint-Genis-Laval, 109 am 17. und 21. August in Bron. Am 11. August 1944, kurz vor der Befreiung von Lyon, wurden 750 Widerstandskämpferinnen und Juden, darunter 300 Frauen und 12 Kleinkinder, in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, etwa 600 waren vorher in Montluc inhaftiert. Unter ihnen befanden sich acht Krankenschwestern der Grotte de la Luire (Vercors) und 57 Polen von der Widerstandsgruppe POWN. Am 24. August 1944 wurden das Gefängnis und die letzten 950 Gefangenen von der Résistance befreit (vgl. dazu auch den Volksaufstand in Villeurbanne).

ehemaliges Gefängnis Fort Montluc; heute: Polizeipräsidium ehemaliges Gefängnis Saint-Paul

Die französische Milice unter ihrem regionalen Chef Paul Touvier machte Jagd auf résistants und Juden, folterte Verdächtige, brachte 1944 im nahen Neyron/Ain den Vorsitzenden der Menschenrechtsliga, Victor Basch, und seine Frau Hélène um (ein Denkmal ehrt sie in Neyron, ihre Gräber befinden sich auf dem Friedhof La Doua, Villeurbanne) und erschoss sieben jüdische Geiseln in Rillieux-la-Pape bei Lyon (Näheres siehe dort).

Rassistische Verfolgung
Die Gestapo ging gegen die in Lyon und Umgebung wohnenden Juden  mit Razzien (vgl. Vénissieux) und Verhaftungen vor. Im Februar 1943 verhaftete sie  87 Personen im Sozialwerk der jüdischen Gemeinde in der Rue Sainte-Catherine, 80 wurden über Drancy in die Vernichtungslager Sobibor und Auschwitz deportiert, nur drei überlebten. Die Razzia und Deportation der Kinder und Betreuer von Izieu ging auf ihr Konto. Kurz vor der Befreiung wurden hunderte jüdische Männer und Frauen erschossen (z.B. in Bron) oder in die KZ Natzweiler-Struthof bzw. Ravensbrück deportiert.

Gedenken
Es gibt einen Gedenkweg „Auf den Spuren des Widerstands in Lyon“:
http://www.cheminsdememoire.gouv.fr/fr/sur-les-chemins-de-la-resistance-lyon

Das Museum Centre d'Histoire de la Résistance et de la Déportation informiert sehr facettenreich über örtlichen und regionalen Widerstand. Es befindet sich im ehemaligen Gestapo-Gebäude: 14, Avenue Berthelot, Lyon; Tram T 2 Centre Berthelot; offen täglich außer feiertags; Internet:
http://www.cheminsdememoire.gouv.fr/de/centre-dhistoire-de-la-resistance-et-de-la-deportation-lyon

Museum Centre d'Histoire de la Résistance, Ave. Berthelot Gedenktafel am ehem. Gestapo-Folterkeller, Ave. Berthelot

Das Fort Montluc ist heute Sitz der Polizei. Ein Teil des ehemaligen Militärgefängnisses ist seit Herbst 2010 Gedenkstätte: Mémorial national de la Prison de Montluc, 4 RueJeanne-Hachette; offen: Mittwoch bis Samstag, 14.30 – 17 Uhr, in der Ferienzeit Juli und August: Dienstag bis Samstag, 14.30 - 17 Uhr; Eintritt frei; vom Bahnhof Lyon Part-Dieu: Metro D bis 'Sans Souci' oder Bus 25 u. 28  bis' Manufacture de Tabac':
http://www.cheminsdememoire.gouv.fr/de/gedenkstaette-des-gefaengnisses-von-montluc (dt.)
http://fr.wikipedia.org/wiki/Fort_Montluc

ehem. Fort Montluc; Teilansicht Gedenktafel neben Tor der Gedenkstätte Widerstandsdenkmal mit Symbolen der Résistance bemalte Rückwand des Gefängnisses

Die Gedenktafel neben dem Eingang zur neuen Gedenkstätte spricht von etwa 10000 Gefangenen und 7000 Verstorbenen und fügt hinzu: „Der Volksaufstand – FFI – hat 950 Gefangene am 24. August 1944 befreit.“ Das Widerstands-Denkmal an der rückwärtigen Mauer (Anfang der Rue du Dauphiné) nennt Zahl und Ort der Erschießungen sowie die KZ, in die Gefangene deportiert worden sind. Auf der mittleren Säule ist zu lesen: „Im Gefängnis Fort Montluc wurden von 1941 bis 1944 mehrere tausend französische Patrioten eingesperrt, bevor sie erschossen oder in die Nazi-Todeslager deportiert wurden“.

Am Haus 12 Rue Sainte-Catherine in der Nähe des Rathauses erinnert eine Tafel an die Razzia der Gestapo in den Räumen des jüdischen Sozialwerks im Februar 1943 und die Deportation von 80 der 87 verhafteten jüdischen Menschen, von denen nur drei überlebten.
An den (letzten) Deportationszug vom 11. August 1944 erinnert eine Gedenktafel im Bahnhof Lyon-Perrache. Der Text lautet auszugsweise (in deutscher Übersetzung): „Kurz vor der Befreiung Lons hat die Gestapo am 11. August 1944 einen letzten Deportierten-Transport vom Bahnhof Lyon-Guillotière losgeschickt. Ungefähr 400 Widerstandskämpfer/innen wurden in das KZ Natzweiler-Struthof (Männer) bzw. die Frauen in das KZ Ravensbrück verschleppt. Ungefähr 350 Juden, darunter 25 Kinder, wurden in das Lager Auschwitz-Birkenau deportiert …. Gedenkt der Opfer der Nazi-Barbarei“ (in der oberen Ladengalerie des Bahnhofs).

Hauseingang Jüdisches Sozialwerk, Rue Sainte-Catherine Gedenktafel an Razzia und Deportation Gedenktafel an 750 Deportierte vom August 1944

Am Place Bellecour/Ecke Rue Gasparin ehrt das Denkmal 'Le Veilleur de Pierre' (Wächter aus Stein) die  fünf Männer, die nach einem Attentat auf ein von der Gestapo frequentiertes Lokal am 27.7.1944 willkürlich herausgegriffen und erschossen worden waren. Es nennt außerdem die Namen der Haft- und Deportationsorte, Konzentrations- und Vernichtungslager der Widerstandskämpfer, Geiseln und Deportierten aus Lyon und Umgebung.

Denkmal 'Wächter aus Stein' Tafel mit Namen der Haft- und Deportationsorte

Literatur/Medien
Dictionnaire historique de la Résistance, Paris 2006, S. 293f., 617

Guide des lieux de mémoire, Paris 2005, S. 345f.; Ausgabe 2012/2013, S. 230

Aubrac, Lucie: Heldin aus Liebe, München 1996 (frz: Ils partiront dans l’ivresse, Paris 1984)

http://www.cheminsdememoire.gouv.fr/de/gedenkstaette-des-gefaengnisses-von-montluc (dt)

https://fr.wikipedia.org/wiki/Lyon

https://fr.wikipedia.org/wiki/M%C3%A9tropole_de_Lyon