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Gubbio

Region Umbrien / Provinz Perugia

Die Stadt
Die an die Hänge des Monte Ingino gebaute umbrische Kleinstadt Gubbio liegt 40 km nordwestlich der Regionalhauptstadt Perugia. Der in extremer Hanglage errichtete Ortskern wird als eine der kühnsten städtebaulichen Unternehmungen des italienischen Mittelalters bezeichnet.
Man erreicht den Ort von Perugia aus über die SR 298.

Die Ereignisse
Während des erzwungenen Rückzugs der deutschen Wehrmacht nach Norden – das nah gelegene Perugia war kurz zuvor von den Alliierten befreit worden, davor mussten die Deutschen innerhalb eines Monats das gesamte Territorium zwischen dem Monte Cassino und Perugia aufgeben – machten das II. und III. Bataillon des Infanterieregiments 721 der 114. Jäger-Division vom 20. Juni 1944 an einige Tage Quartier in Gubbio. An diesem Tag folgten Mitglieder der dortigen GAP-Gruppe zwei deutschen Offizieren in eine Bar im Ort. Beim anschließenden Feuergefecht wurde der eine Offizier getötet, der andere lebensgefährlich verletzt.
Eingang zum MausoleumKurz darauf begannen die Deutschen als „Sühne“ mit dem Beschuss der Stadt, der Festnahme von Passanten, Plünderungen und Gewalttätigkeiten gegen die Bevölkerung von Gubbio. Am nächsten Morgen ordnete der eingetroffene Kommandant der Einheit, Hauptmann Erich Kurt Walter Buckmakowski, die systematische Durchkämmung des Ortes an und ließ ca. 160 Menschen verhaften. Nach Verhören im Schulgebäude wurden ca. 100 Personen wieder freigelassen, die verbliebenen Personen als Geiseln festgehalten. Darüberhinaus wurden zwei Frauen, denen die Unterstützung der Partisanen zur Last gelegt wurde, verhaftet.
Hauptmann Buckmakowski erhielt den Divisionsbefehl, für jeden getöteten Offizier 20 Italiener zu erschießen. Die Auswahl traf der Ordonanzoffizier Oberleutnant Albrecht-Axel von Heyden. Nachdem im Morgengrauen des 22. Juni 1944 eine Gruppe der festgehaltenen, aber nicht zur Erschießung bestimmten Geiseln auf einem nahen Feld eine Grube ausheben musste, wurden die 40 Todeskandidaten – unter ihnen auch die beiden Frauen Zelinda Pelicci in Ghigi (61) und Miranda Ghigi (30) – an Händen und Füßen gefesselt zur Grube geführt, mussten sich dort in Zehnerreihen aufstellen und wurden vom Exekutionskommando (ca. 20 Männer unter Leitung eines Unteroffiziers) erschossen.

Nach 1945
Kein Mitglied der 114. Jäger-Division, die im April 1943 durch Umbildung der seit Juli 1941 in Serbien, später in Bosnien und Kroatien stationierten 714. Infanterie-Division entstanden war und dort vor ihrem Einsatz in Italien bei der Partisanenbekämpfung „Sühnequoten“ von 100 zu erschießenden Geiseln für jeden getöteten deutschen Soldaten praktizierte, musste sich nach dem Krieg für die verübten Kriegsverbrechen verantworten.
Es kam lediglich zur Aufnahme mehrerer Ermittlungsverfahren durch deutsche Staatsanwaltschaften, eines davon gegen den Verantwortlichen für die Massenerschießung in Gubbio: Der am Überfall auf die deutschen Offiziere beteiligte Enrico Ghigi, dessen Mutter und Schwester zu den 40 erschossenen Geiseln gehörten, erstattete Mitte der 1960er-Jahre Anzeige gegen Hauptmann Buckmakowski bei der Zentralen Stelle für die Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg. Buckmakowski wurde vernommen, das Verfahren später von der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingestellt: Buckmakowski habe lediglich auf Befehl des bereits 1960 verstorbenen Hauptverantwortlichen Generalmajor Dr. Hans Boelsen - vom 19. Mai 1944 bis 19. Juli 1944 Kommandant der 114. Jäger-Division - gehandelt.

Ebenfalls eingestellt wurden die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Frankfurt am Main (1969) und München (1970) gegen den Weihbischof der Erzdiözese München Matthias Defregger wegen der Erschießung von 17 Bewohnern des kleinen Abruzzendorfes Filetto di Camarda am 7. Juni 1944 als „Sühne“ für einen Überfall auf Soldaten der Nachrichten-Abteilung der 114. Jäger-Division, der Defregger damals angehörte.

Gedenken
Der zentrale Platz am Fuß der an den Hang gebauten Altstadt von Gubbio heißt Piazza Quaranta Martiri (früher: Piazza del Mercato); an der Schule, in der die Geiseln die Nacht vor ihrer Ermordung verbrachten, befindet sich eine Gedenktafel (Via Perugina 58).

Mausoleo dei 40 Martiri
Für die Opfer der Massenerschießung wurde das 1949 fertiggestellte Mausoleo dei 40 Martiri errichtet, umgeben ist es von 40 Zypressen. Im Garten der Erinnerung (Giardino della Memoria) steht noch die Mauer, vor der die Erschießung stattfand; die beiden Massengräber, in denen die Opfer vorübergehend bestattet waren, sind heute mit Blumenrabatten bepflanzt.
Das Gedenkareal ist täglich außer Montags geöffnet: im Sommerhalbjahr von 9.00-13.00 Uhr und von 15.00-18.00 Uhr, im Winterhalbjahr von 9.00-13.00 Uhr und von 15.00-17.00 Uhr, www.40martiridigubbio.it (Associazione Famiglie dei 40 Martiri onlus), Gubbio, Via Mausoleo.

Literatur / Medien: 
Günther, Matthias: Die 114. Jäger-Division (714. ID) - Partisanenbekämpfung und Geiselerschießungen der Wehrmacht auf dem Balkan und in Italien, In: Deutsches Historisches Institut in Rom (Hg.): Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken, Band 85, 2005, S. 397-424; Schreiber, Gerhard: Deutsche Kriegsverbrechen. Täter, Opfer, Strafverfolgung, München 1996, S. 170-172; Rossi, Tommaso: Tracce di Memoria – Guida ai luoghi della Resistenza e degli eccidi nazifascisti in Umbria, Foligno 2013, S. 446-457; www.40martiridigubbio.it;