Gedenkstätte in AmirasRegion Kreta / Regionalbezirk Iraklio

Der Ort
Amiras hat ca. 300 Einwohner/innen, gehört zur im Süden der Insel Kreta am Rand des Diktigebirges liegenden Gemeinde Viannos und wurde wie die umliegenden Dörfer im September 1943 tagelang Schauplatz eines der schlimmsten der von der deutschen Wehrmacht auf Kreta verübten Massaker. Es wird im Angelsächsischen und in Griechenland häufig auch als „Holocaust von Viannos“ bezeichnet. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer der Orte Amiras, Ano Viannos, Embaros, Kato Viannos, Chondros, Kefalovrisi, Pefkos, Kalami, Kato Symi, Sykologos und Vachos - alle gehören seit dem Jahr 2000 zu den Märtyrerorten Griechenlands (gem. Präsidialdekret 99/2000) - befindet sich bei Amiras.
Von Iraklio aus zunächst der Ausschilderung nach Viannos folgen, dann weiter auf der Straße nach Myrtos (Südküste), bis die direkt an der Straße liegende Gedenkstätte ca. 5 km hinter Ano Viannos nach insgesamt ca. 60 km erreicht wird.

Relief des MassakersDie Ereignisse
Die deutsche Abwehr vermutete bereits im Sommer 1943 eine sehr große Gruppe von Partisanen im Raum Viannos. Nachdem ein erstes Unternemen zur Erkundung erfolglos blieb, befahl der Kommandant der Festung Kreta, General Bruno Bräuer, im September 1943 der 22. Infanteriedivision eine großangelegte Durchkämmungsaktion zur Vernichtung der Banden. Im Rahmen dieses Unternehmens geriet am 12. September 1943 eine deutsche Einheit in einen Hinterhalt: Eine Gruppe von ca. 100 Partisanen um Manolis Bandouvas griff die Deutschen - in Erwartung darauf, dass nach dem Kriegsaustritt Italiens am 8. September 1943 mit einer zügigen Landung der Alliierten auf Kreta zu rechnen sei - erstmals offen an. Auf deutscher Seite wurden 12 Tote, 5 Verwundete und 12 Vermisste gezählt (die Vermissten wurden später von Bandouvas nach tagelangen Verhandlungen, in die hohe Vertreter des Klerus und der griechischen Verwaltung einbezogen waren, wieder freigelassen).

Daraufhin wurden sofort vom Divisionskommandeur, General Friedrich Wilhelm Müller, „schärfste Gegenmaßnahmen“ befohlen. Darüber hinaus hielt er fest, jegliche Rücksichtnahme auf die kretische Bevölkerung sei fehl am Platze. Noch am selben Tag wurden als erste „Sühnemaßnahme“ die Ortschaften Kato Symi und Pefkos in der Nähe des Anschlagsortes niedergebrannt, danach weitere Orte heimgesucht.
In der Tagesmeldung der 22. Infanteriedivision an den Kommandanten der Festung Kreta vom 14. September 1943 wurde der Stand des „Unternehmen Wianos“ akkurat festgehalten:
Tagesziele nicht ganz erreicht. Bisher sind 280 Griechen auf der Flucht erschossen. Kato Simi und Pefki sind niedergebrannt. Die männliche Bevölkerung von Ano Wianos wurde festgenommen. Jetzt wurden insgesamt 310 Mann festgenommen“ (zit. nach Tagesmeldung der 22. Infanteriedivision vom 14. September 1943).
Deutschen Angaben zufolge wurden insgesamt 440 Griechen getötet, 200 festgenommen sowie drei Ortschaften zerstört. Aus anfangs in den Tätigkeitsberichten noch „Griechen“ genannten Toten wurden später „Banditen“, sodass die zivilen Opfer nicht der Kategorie der „Sühneerschossenen“, sondern der der „Toten bei Gefechtsverlusten“ zugeordnet wurden (Fleischer, S. 185).
Griechischen und britischen Berichten zufolge lag die Opferzahl noch höher. Im Bericht der Kazantzakis-Kommission heißt es:
Am 14.9. sollte eine der größten Katastrophen hereinbrechen, die Kreta während der ganzen Besatzungszeit erlebt hat. Die Deutschen überfielen die Dörfer von Viannos, Amira, Vachos, Kephalovrissi, Krewatas, Agh.Vassilios, Pefkos, Kato Symi, Gdochia, Myrtos, Mournies, Malles etc. Nachdem sie schon auf dem Hinweg jeden getötet hatten, der ihnen begegnete - Männer, Frauen, Kinder -, trieben sie in den Dörfern selbst alle Männer zusammen und exekutierten sie in Gruppen“ (zit. nach Rondholz, S. 86).

Gedenken
In Amiras befindet sich die zentrale Gedenkstätte für alle Opfer des „Unternehmens Wianos“. Hier wird der 451 Opfer der Massaker aus Amiras und der umliegenden Dörfer gedacht.
Gedenkzeilen von Vasilis Rotas Elf Steinfiguren, auf denen die Namen der Opfer eingraviert sind, flankieren den Weg zum Gedenkmonument. Davor steht auf vier Steintafeln (in griechisch, englisch, französisch und deutsch) ein Gedicht von Vasilis Rotas (1889-1977):
"Vorbeigehender Achtung
Hier unten befinden sich Leichen
die nie betrogen haben
die nie gelogen haben
die Tyrannen nie geachtet haben.
Vorbeigehende Achtung
Mit reinen Gedanken denke über sie
und wenn du dieses schöne Licht genießt
und ohne Angst hier laufen kannst
und wenn du geliebt wirst und selber liebst
und alles Gute, das du im Leben hast
haben dir diese Leichen geschenkt. V. ROTAS"

Literatur / Medien:
Fleischer, Hagen: Deutsche „Ordnung“ in Griechenland, in: Droulia u. ders. (Hg.): Von Lidice bis Kalavryta, S. 151-223; Rondholz, Eberhard: Die Schlacht auf Kreta und der Widerstandskampf unter der deutschen Besatzung von 1941 bis 1945, In: Raeck, Karina: Andartis - ein Monument für den Frieden, Berlin 1995, S. 77-93; Xylander, Marlen von: Die deutsche Besatzungsherrschaft auf Kreta 1941-1945, Freiburg 1989; Tagesmeldung der 22. Infanteriedivision vom 14. September 1943: www.spiegel.de/media/media-36717.pdf; Berliner VVN-BDA: 6. Broschüre „Fragt uns, wir sind die Letzten“ - Erinnerungen von Verfolgten des Nationalsozialismus und Menschen aus dem antifaschistischen Widerstand, Zeitzeugen-Interview mit Paraskewi Labraki: fragtuns.blogsport.de/images/FragtunswirsinddieLetzten6.pdf