Martin Weiß (GFH)Martin Weiß, am 21.03.1903 in Karlsruhe als eines von acht Kindern geboren und im Betrieb seines Vaters als Klempner und Installateur ausgebildet, trat 1934 der Reiter-SS, 1937 der NSDAP bei und wurde im Frühjahr 1941 zur Einsatzgruppe A eingezogen. Im Oktober 1941 wurde er der Außenstelle Vilnius des Einsatzkommandos 3 zugeteilt und gehörte diesem Kommando bis zum Juli 1944, dem Tag der Räumung Vilnius durch die deutschen Truppen, an. Trotz seines relativ einfachen Ranges als SS-Hauptscharführer war er faktisch Chef des Lukiškės-Gefängnisses in Vilnius und häufig als Chef des Sonderkommandos (Ypatingas Burys) bei Mordeinsätzen in Vilnius, in Paneriai und an etlichen anderen Orten der Region um Vilnius eingesetzt. „Martin Weiss and Horst Schweinberger acted as liaison officers between the Lithuanians and the German units and … were the worst of thugs, torturing and killing for pleasure (Abba Kovner in Porat).

Im Juli 1943 wurde Weiß Chef des Gestapo-Gefängnisses; er war an der Ermordung des Vorsitzenden des Ghetto-Judenrats, Jakob Gens, im September 1943 beteiligt. In überlieferten Aufzeichnungen von ermordeten und überlebenden Ghetto-Opfern wird Weiß immer wieder als gnadenloser, zynischer Herr über Leben und Tod der Verfolgten oder auch als Herr von Ponar  beschrieben, der vielfach die ihm ausgelieferten Opfer gequält und eigenhändig getötet hat. „Der Tod kommt“, wenn Weiss das Ghetto Tor passierte (Urteil, S. 16).

Weiß wurde im Mai 1949 verhaftet. Am 03.02.1950 verurteilte das Landgericht Würzburg Martin Weiß wegen Beteiligung an der Ermordung von mindestens 30.000 Juden und wegen sieben einzelner Morde zu lebenslanger Haft. „Der Angeklagte Weiss … trat als maßgebender Vollstecker des allgemeinen Vernichtungsbefehles auf. Ferner entschied er selbstherrlich und in unvorstellbarer Missachtung von Menschenleben fortgesetzt über das Schicksal der vielen Tausenden von Juden jeden Alters und Geschlechts …“ (Urteil S. 10). Nach 20 Jahren (1970) wurde seine Strafe zur Bewährung ausgesetzt, 1977 ganz erlassen. Weiß starb 1984 in Karlsruhe.


Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Band 1, S. 355; Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt/M. 2003, S. 665; Langerbein, Helmut: Hitler's Death Squads. The Logic of Mass Murder, Texas 2004, S. 66–75 (Kapitel über Martin Weiss abrufbar unter https://books.google.de/Langerbein/Deathsquads); Porat, Dina: The Fall of a Sparrow. The Life and Times of Abba Kovner, Stanford 2010 (Zitat S. 54); Sutzkever, Abraham: Wilner Ghetto 1941–1944, Zürich 2009, S. 91–94; Ullrich, Christina: Der erste deutsche Prozess gegen einen Einsatzgruppentäter, in: Cüppers, Martin / Matthäus, Jürgen / Angrick, Andrej (Hg.): Naziverbrechen. Täter, Taten, Bewältigungsversuche, Darmstadt 2013, S. 303ff.; Urteil des Landgerichts Würzburg 03.02.1950, in: Justiz und NS-Verbrechen, Band 6, S. 192ff.

https://en.wikipedia.org
http://www.juden-in-europa.de/baltikum/vilna/ponar.htm
http://www.deathcamps.org/occupation/vilnius%20ghetto.html

Das Urteil kann nachgelesen werden bei Yad Vashem, Benjamin Sagalowitz Archive, File Number 134, Item ID 3689728; Auszüge:
http://207.232.26.150/documentation4/1/3689728_03004589/0001/00011.jpg (Urteil, S. 10)
http://207.232.26.150/documentation4/1/3689728_03004589/0001/00017.jpg (Urteil, S. 16)

Foto: Ghetto Fighters House, Photo Archive, Catalog No. 26360