Region Hauts-de-France/Picardie, Departement Somme

Amiens - Kathedrale; Quelle: wikimedia/Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Der Ort
Großstadt von 133.755 Einwohner*innen (2016), Hauptstadt des Departements Somme, der Picardie und der Region Hauts-de-France. Berühmte Kathedrale und andere Baudenkmäler. Bahnhof: TGV →Bruxelles, Lille, Lyon, Paris, Strasbourg. Mit dem Auto von Paris ca. 150 km (A 1 od. A 16), von Lille 144 km (A 1 und A 26).

Die Ereignisse

Résistance
Der Schiffer Émile Masson (18 Jahre) und der Fischer Lucien Brusque (21 Jahre) durchtrennten Telefonkabel der Wehrmacht. Sie gehörten keiner Widerstandsgruppe an. Am 15. Oktober 1940 wurden sie von französischen Gendarmen in Amiens verhaftet, vom deutschen Kriegsgericht der Feldkommandantur 580 zum Tode verurteilt und am 12. November 1940 in der Zitadelle von Amiens von einem Wehrmachtspeloton erschossen. Sie waren die ersten Füsilierten der Picardie. Urteil und Vollstreckung wurden aus Abschreckungsgründen groß in Amiens plakatiert. Das von einem deutschen Soldaten
aufgenommene Foto wurde nach England geschmuggelt.

 

Erschießung E. Masson; Quelle: France 3Jules Bridoux; © Archives Somme (Archives départementales de la Somme, 6 F 151. Photo Pierre Caron) 

 

 

Die 'Gruppe Michel' der Franc tireurs et partisans français (FTP) sabotierte Gleise, Zugmaterial, Eisenbahnanlagen und führte Weihnachten 1942 einen Anschlag auf die deutsche Offiziersmesse in Amiens durch. Elf Mitglieder der Gruppe wurden vom deutschen Kriegsgericht zum Tode verurteilt und am 2. August 1943 in Zitadelle von Amiens füsiliert; zwei von ihnen waren Maurice Seigneurgens (vgl. Villers-Bretonneux) und Charles Lemaire (Sohn), vgl. nächsten Absatz. Der 'Kommandant' der FTP-Gruppe, Jules Bridoux, geb. 1920, Bergarbeiter, Kommunist, wurde beim Angriff auf die Feldgendarmerie in Le Havre (Normandie) am 13. August 1943 schwer verwundet und starb noch am selben Tag.

 

 

 

 

 

Gedenktafel 'Quatre Lemaire'

Die 'Vier Mitglieder der Familie Lemaire' waren aktiv ab 1941/42 in der Résistance (FTP) und starben für ihre Überzeugungen:
Maurice Lemaire Vater (geb. 1897), 1940/41 als Kommunist inhaftiert, zusammen mit seinem Sohn Maurice Lemaire (geb. 1926) Widerstand in der Normandie; nach einem Anschlag auf Feldgendarmen füsiliert am 1. Oktober bzw. 24. November 1942 in Saint-Lô erschossen;
Charles Lemaire (1926), wegen Sabotagen an Gleisanlagen etc. hingerichtet am 2. August 1943;
Arthur Lemaire (geb. 1929) attackierte mit anderen FTP deutsche Soldaten auf dem Rückzug, wurde gefangen genommen und erschossen, wahrscheinlich Ende August 1944.
An ehemaligen Wohnhaus der Familie wurde eine Gedenktafel angebracht und die Straße in 'Rue des Quatre Lemaire' umbenannt (10 Rue des Quatre Lemaire; ihre Namen finden sich auch auf der Gedenktafel für die 'Résistants des Viertels', 131 Boulevard de Châteaudun).

 

Madeleine Michelis; Quelle: museedelaresistanceenligne; gemeinfrei

 

 

 

 

 

Madeleine Michelis, geb. 1913, war ab Oktober 1942 Lehrerin am Mädchenlyzeum in Amiens. Sie besorgte Unterkünfte für geflohene französische Gefangene und alliierte Piloten (im Rahmen des Netzwerks Shelbourne des britischen SOE - Special Operations Executive). Im Februar 1944 verhaftet, schwieg sie trotz Folter und starb am 15. oder 16. Februar 1944 durch Strangulation. Posthum wurde sie 1997 von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt, weil sie 1942 ein jüdisches Mädchen in die unbesetzte Zone gebracht und ihr das Leben gerettet hatte, An der Fassade des nach ihr benannten Lycée ist eine Gedenktafel angebracht (neben dem Eingangstor, 43 Rue des Otages).




Judenverfolgung und Deportation


Cécile Redlich; © Archives Somme (Archives départementales de la Somme, 134 J 70. Archives privées de Renée Fiszman)Gedenktafel an zerstörter Synagoge; Quelle: Twitter @prefet80

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In Amiens gab es 1939 etwa 100 jüdische Familien. Die Synagoge wurde von den Deutschen beschlagnahmt, das Gebäude blieb intakt, aber sämtliche Kultgegenstände und Mobiliar wurden geplündert. Aus Amiens wurden 1942 vierzig jüdische Menschen und im Januar 1944 nochmals zwanzig über das Lager Drancy bei Paris mit dem Transport Nr. 66 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Darunter war die 15jährige Schülerin Cécile Redlich; sie wurde gleich nach ihrer Ankunft vergast. Eine Gedenktafel erinnert an die deportierten und ermordeten Juden (Square du Souvenir de la Rafle de 4 janvier 1944; nahe der alten Synagoge). Im Oktober 2017 wurde eine neue Synagoge eingeweiht (Port d'Amont, nahe der Brücke pont Beauvillé).
Die Stadt wurde am 31. August 1944 von der britischen Armee – mit Hilfe der FFI – befreit.


Gedenken

Widerstands- und Deportiertendenkmal der Picardie

Etwa 2640 Einwohner*innen der Picardie wurden in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, weit über die Hälfte kam nicht zurück. Über 1000 Menschen wurden erschossen oder massakriert, darunter waren mindestens 350 Résistants.
Aus Amiens sind etwa 200 Résistants, Geiseln und jüdische Menschen in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert und dort umgebracht worden. 23 Männer aus der Picardie, davon mindestens sechs aus Amiens, kamen in dem wegen seiner hohen Todeszahlen „train de la mort“ (Todeszug) genannten Deportationstransport ums Leben; insgesamt starben auf dem Transport, der am 2. Juli 1944 vom Internierungslager Compiègne (Oise) ins KZ Dachau gestartet war, 984 von 2500 Deportierten (vgl. Gedenktafel am Fuß des Totendenkmals am Place du Maréchal Foch).

 

Zitadelle; Quelle: wikipedia/HaguardDuNord , CC BY 3.0Zeremonie 2017 am ehem. Erschießungspfahl; Quelle: Parti de Gauche

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Die im 17. Jahrhundert erbaute Zitadelle wurde bis 1999 von der frz. Armee benutzt; nach der Restaurierung ziehen Teile der Universität ein. Die deutschen Besatzer und die Vichy-Polizei nutzten sie als Haft-, Folter- und Erschießungsort. Etwa 400 Menschen wurden hier interniert. 35 Résistants wurden zwischen November 1940 und August 1944 in der Zitadelle von Wehrmachtspelotons erschossen (Beispiele im Abschnitt 'Résistance'). Eine zivilgesellschaftliche Initiative bemüht sich um einen Erinnerungsort. Offizielle Gedenkfeiern finden z. Zt. am Platz um den ehemaligen Erschießungspfahl statt. Ansonsten ist dieser Teil der Zitadelle öffentlich nicht zugänglich.

Literatur/Medien
Académie d'Amiens: DVD 'La Résistance dans l'Amiénois, Amiens 2012
http://fresques.ina.fr/picardie/fiche-media/Picard00411/les-resistants-ftp-dans-la-somme.html
http://www.lesouvenirfrancaisdelasomme.fr/Files/Other/Bulletin%20n1%20Centre%20memoire%20et%20deportation80.pdf
http://maitron-fusilles-40-44.univ-paris1.fr/spip.php?article186149 (Zitadelle)
http://maitron-fusilles-40-44.univ-paris1.fr/spip.php?article163841 (L. Brusque)
http://maitron-fusilles-40-44.univ-paris1.fr/spip.php?article136807 (4 Lemaire)
http://maitron-fusilles-40-44.univ-paris1.fr/spip.php?article17942 (Jules Bridoux)
http://www.picardie-1939-1945.org/phpBB2new/viewtopic.php?t=1956
http://www.somme.gouv.fr/content/download/8236/46394/file/Brochure-Michelis.pdf
http://www.ajpn.org/personne-Claude-Bloch-9709.html
http://www.amiens-ouest-tourisme.fr/loccupation-allemande,fr,8,106.cfm
http://fr.wikipedia.org/wiki/Citadelle_d%27Amiens
http://www.picardie-1939-1945.org/phpBB2new/viewtopic.php?t=2232 (Razzia Januar 1944)
http://www.courrier-picard.fr/65312/article/2017-10-21/une-nouvelle-synagogue-amiens
http://fr.wikipedia.org/wiki/Amiens