Region Centre-Val de Loire, Departement Eure-et-Loir

Denkmal am LagereingangDer Ort
Kleinstadt in der Beauce, seit 2016 Teil von Les Villages Vovéens, 3164 Einwohner/innen (2013). Mit dem Auto von Chartres 24 km (D 29), von Orléans 54 km (D 2020 u. D 954 bis Allaines-Mervilliers, dort D 12 →Voves). Im Ort gab es ein Internierungslager für politische Gefangene.

Die Ereignisse
Das Lager wurde von unterschiedlichen Ländern und Regimen genutzt. Darauf weist der Gedenkstein am Eingang zum Lagergelände hin. Die französische Regierung nutzte das Lager Voves ab Februar 1939 für spanische Flüchtlinge, die nach der Niederlage der Republik vor den Franco-Truppen geflohen waren (vgl. Retirada); es waren vor allem Frauen und Kinder, sie wurden im Herbst auf andere Lager verteilt; die Männer wurden in Südfrankreich festgehalten (z.B. Le Vernet d'Ariège). Von Juni bis Dezember 1940 brachte die deutsche Wehrmacht frz. Kriegsgefangene vor ihrem Abtransport nach Deutschland unter. Von 1942 – 1944 inhaftierte das Vichy-Regime politische Gefangene und Résistants. Ab Herbst 1944 wurden hier deutsche Kriegsgefangene festgehalten.

GedenkpyramideInternierungslager für politische Gefangene
Ab 1942 wurde das Lager an die frz. Vichy-Regierung zurückgegeben. Sie wies vor allem politische Opponenten, einige Juden und „Unerwünschte“ (z.B. Ausländer oder Schwarzmarkthändler) ein. Sie stützte sich auf ein Dekret vom Herbst 1939, das die 'administrative' Internierung von Personen erlaubte, „die eine Gefahr für die nationale Verteidigung oder für die öffentliche Sicherheit“ darstellen bzw. von denen dies vermutet wurde. Das war damals auf Funktionäre der KPF gemünzt, die nach dem deutsch-sowjetischen Vertrag ('Hitler-Stalin-Pakt') verboten worden war.
Ab 1942 kamen hunderte Gefangene aus anderen Lagern, in die sie in den großen Verhaftungswellen 1940/41 eingeliefert worden waren. Die ersten, in erster Linie Kommunisten, kamen aus den Lagern Aincourt (Île-de-France) und Châteaubriant-Choisel (Pays de la Loire), die geschlossen worden waren; später wurden Gefangene z.B. aus Pithiviers (Centre), Écrouves (Lothringen/Lorraine) und Rouillé (Poitou-Charentes) hierher verlegt. Zwischen 1942 und 1944 waren über 1500 Männer in dem mit Stacheldraht und Wachtürmen umgebenen Lager interniert. 600 von ihnen sind erschossen worden oder in der Deportation zugrunde gegangen. 

(Restauriertes) SanitärgebäudeGeisellager und Deportationen
Bereits im Mai 1942 wurden über 100 Gefangene in das Internierungslager Compiègne-Royallieu verbracht; die meisten von ihnen wurden am 6. Juli 1942 in einem Transport von über 1000 'Politischen' und 50 Juden nach Auschwitz-Birkenau deportiert; nur sechs überlebten. Hunderte anderer sollten das Schicksal teilen. Viele Gefangene wurden praktisch als potentielle Geiseln festgehalten, um den deutschen Besatzern jederzeit die von ihr geforderte Menge an Menschen „liefern“ zu können. Hintergrund war ein Erlass von Wehrmachtsgeneral Otto von Stülpnagel, dem Militärbefehlshaber für Frankreich vom April 1942 (vgl. Auszug im Text über Compiègne-Royallieu).

Schulungen, Theater, Sport
Die von den Internierten gebildete illegale Lagerleitung organisierte z.B. Schulungen, Sportwettbewerbe und Theater. Ziel war die Vorbereitung von Kadern für die Résistance und/oder für die Zeit nach der Befreiung. 

Gedenktafel an MassenausbruchMassenausbruch
Die Gefangenen organisierten mehrere Ausbrüche. Der spektakulärste Ausbruch gelang in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai 1944: 42 Gefangene entkamen durch einen fast 150 m langen Tunnel, dessen Einstieg sich unter dem Sanitärgebäude befand und der zwei Meter unter der Erde verlief. Wie auf dem Gedenkstein zu lesen ist, haben die geflohenen „Internierten den Kampf in den Reihen der Résistance für die Befreiung Frankreichs und den Sieg über den Nazismus wieder aufgenommen.“ 

DeportationswagenSchließung des Lagers, Deportation nach Neuengamme
Wenige Tage später wurde das Lager durch die Deutschen übernommen und 'liquidiert' (Hintergrund war die im Westen erwartete alliierte Landung). Eine SS-Einheit trieb die über 400 Gefangenen in bereitstehende Viehwaggons, die sie in das Lager Compiègne-Royallieu brachten.
Von dort wurden sie am 21. Mai 1944 über Buchenwald in das KZ Neuengamme (bei Hamburg) deportiert. Sie mussten schwere Zwangsarbeit leisten, entweder in (Salzgitter-) Watenstedt oder in Bremen-Farge auf der Baustelle des U-Boot-Bunkers 'Valentin' (auch genannt 'Franzosengrab). Zwei Drittel überlebten nicht. 

Gedenkstein neben PyramideGedenken
Auf dem ehemaligen Lagergelände befinden sich ein Denkmal und Gedenktafeln, ein Arboretum mit neu gepflanzten Bäumen und eine Museumsbaracke. Ein Fußweg, der neben der Gedenkpyramide zwischen zwei Grundstücken entlang geht, führt zum Eingang.
Träger sind die – ursprünglich aus ehemaligen Gefangenen und Familienangehörigen bestehende – Amicale Châteaubriant-Voves-Rouillé-Aincourt und das Comité du souvenir du camp de Voves. Zeremonien zum Gedenken an die Internierten, Deportierten und Erschossenen finden jeweils am letzten Wochenende im April und Mitte Mai statt. Camp d'Internement de Voves, Allée André-Thibault, RD 29; tel. ++33 2 37 99 01 35; email: [email protected].

 

Literatur/Medien
Petit Futé. Guide des lieux de mémoire, Paris 2005, S. 66f.; Ausgabe 2012/2013, S. 46
http://www.amicale-chateaubriant.fr/article.php?id_article=29
http://www.archives28.fr/_depot_image_ad28/_depot_arko/articles/634/106w-camps-de-voves_doc.htm 
http://www.archives28.fr/article.php?larub=20&titre=photographie-du-camp-de-voves-vers-1942-1944 
http://www.ajpn.org/internement-Camp-de-Voves-216.html