Woiwodschaft Lublin/Wojew. Lubelski

Täter*innen 
Im Lager waren in der Zeit des Bestehens etwa 120 deutsche SS-Männer tätig; in einer Schicht waren jeweils etwa 30 anwesend. Namenslisten bei Blatt, Sobibór ….., a.a.O., S. 61ff.; Schelvis, a.a.O, S. 298ff. Viele kamen aus der Organisation der Aktion T 4 und hatten dort Erfahrungen mit der Ermordung von Behinderten und Kranken durch Gas gesammelt; vgl. die Kurzbiografien bei Berger, a.a.O., S. 401-415. Nach dem Häftlingsaufstand und der Auflösung des Lagers folgten viele dem letzten Lagerleiter, Fritz Reichleitner, und dem Organisator der Aktion Reinhardt, Odilo Globocnik, nach Triest/Oberitalien, wo sie Juden jagten und die Partisanen bekämpften.

Außerdem waren in Sobibor 100 bis 120 Trawniki-Männer gleichzeitig eingesetzt (Namen bei Blatt, Sobibór, S. 64ff.). Sie waren in Lagern für sowjetische Kriegsgefangene, z.B. in Chelm, von deutschen Werbern gefragt worden, ob sie für die Deutschen arbeiten wollten. Sie hatten die Wahl zwischen verhungern oder sich melden. Sie wurden im SS-Ausbildungslager Trawniki, Distrikt Lublin, auf ihre Aufgaben vorbereitet und ausgebildet. Anfangs wurden sie nur als Wachleute beschäftigt, später auch bei der Ankunft von Deportations-Transporten, bei der Erschießung von Kranken und Gehunfähigen, im Lager III eingesetzt. Sie galten z.T. als undiszipliniert und offen für Korruption. Aber: Sie waren ein „unersetzliches Element im Vernichtungsprozess“, in einer „Grauzone zwischen Freiwilligkeit und Zwang“ (Berger, aaO., S. 221 bzw. 223).

Nach 1945/Strafverfolgung der Täter*innen
Die ersten Prozesse kamen eher zufällig zustande. Das Vernichtungslager Sobibor und sein mörderisches Funktionieren waren kaum bekannt. Vor allem gab es wenig Bereitschaft, die NS-Verbrechen strafrechtlich zu ahnden. (Verdrängen der Vergangenheit, Rufe nach „Schlussstrich“,“ – als Täter galten nur Hitler, Göring und Himmler, Strafe idR nur wegen „Beihilfe).
Erst 1958 begannen systematische Ermittlungen durch die Zentrale Stelle in Ludwigsburg, u.a. zur 'Aktion Reinhardt'. Manche führten zu Anklagen wegen der Massenmorde in Belzec, Treblinka und Sobibor.

T 4-/SS-Männer
Der erste Lagerkommandant, SS-Obersturmbannführer Franz Stangl, gelangte über die „Ratten-Linie“ (Bischof Hudal) nach Syrien, später nach Brasilien. Er wurde an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert, nachdem der ehem. Häftling Shlomo Szmajzner ihn erkannt hatte. Er wurde 1970 in Düsseldorf wegen der Morde im Vernichtungslager Treblinka zu lebenslänglicher Haft verurteilt, er starb 1971 vor Rechtskraft des Urteils (Rüter/de Wildt, a.a.O., Band XXXIV, Nr. 756).
Der zweite Lagerkommandant (ab September 1943), Franz Reichleitner, hatte Urlaub während des Aufstands. Bald danach wurde er nach Italien versetzt, wo er im Stab von Odilo Globocnik Jagd auf Juden und Partisanen machte. 1944 wurde er von Partisanen getötet. Der stv. Lagerkommandant, Johann Niemann, wurde beim Aufstand getötet, als er eine Jacke anprobieren wollte (vgl. Bildungswerk, a.a.O., S. 257).

Der „Gasmeister“ von Sobibór, Erich Hermann Bauer, eingesetzt u.a. an der Vergasungsanlage im Lager III, wurde in Berlin von den ehem. Häftlingen Samuel Lerer und Esther Raab erkannt und wegen Verbrechen gegen die Menschheit zum Tode verurteilt - nach Abschaffung der Todesstrafe in lebenslängliche Haft umgewandelt; er starb 1980 in der Haft (Rüter/de Wildt, a.a.O., Band Bd. VI, S. 545ff.)

Hubert Gomerski hatte mit Bolender und Vallaster (der beim Aufstand getötet wurde) die Aufsicht über Lager 3. Er wurde wegen vielfachen Mordes vom Landgericht Frankfurt 1950 zu lebenslänglicher Haft verurteilt; Johann Klier, tätig in der Bäckerei und Aufseher über das Schuhkommando, wurde freigesprochen, seine Tätigkeit sei „nur eine entferntere Ursache“ für den Massenmord gewesen (Rüter/de Wildt, a.a.O., Band VII, S. 286). Nachdem Gomerski die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt hatte, wurde er aus der Haft entlassen, seine Strafe auf 15 Jahre reduziert, das Verfahren 1984 wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt. Gomerski bekam eine hohe Haftentschädigung. Er starb 1999 (Rüter/de Wildt, a.a.O., Band XLV, Nr. 885).

Im Hagener Sobibor-Prozess standen vom 20. September 1965 bis 20. Dezember 1966 zwölf SS-Männer wegen der Morde vor Gericht. Dem Frankfurter Auschwitz-Prozess folgend, wurden zahlreiche Zeugen, vor allem Überlebende, angehört; sie konnten aus der Sicht der Opfer das arbeitsteilige Zusammenwirken der Täter des Mordlagers beschreiben. Die Verhandlungen fanden oft vor fast leeren Rängen statt, die Medien konzentrierten sich auf spektakuläre Einzelmorde – und nur in wenigen Artikeln auf die „fabrikmäßige“ Ermordung der Deportierten (Rüter/de Wildt, a.a.O., Band XXV, Nr. 642).
Die Richter sahen in ihrem 100seitigen Urteil in den Tätigkeiten der Angeklagten eine „funktionelle Mitwirkung bei der Massenvernichtung im Lager Sobibor“, also Mord bzw. Beihilfe zum Mord. Das kam der späteren Wertung von Funktionen im Lager „als Teil der Vernichtungsmaschinerie und damit Förderung der Morde“ nahe (so u.a. im Demjanjuk-Urteil von 2011, siehe unten).

Verurteilt wurden
Karl Frenzel, Leiter des Lagers 1, lt. Herschel Cukierman „ein Sadist und brutaler Mörder“, wegen der Teilnahme an den Massenvergasungen und einiger Einzelmorde zu lebenslänglicher Haft verurteilt; Frenzel wurde auch in einem zweiten Verfahren zu lebenslänglich verurteilt: LG Hagen 4.1.1985, Rüter/de Wildt, a.a.O., Band XLVI, Nr. 897):
Werner Dubois (Aufsicht Waldkommando) zu drei Jahren Haft;
Jakob Ittner (Aufseher im Lager III) zu vier Jahren Haft;
Erwin Lambert (Bau der Gaskammer) zu drei Jahren Haft.
Franz Wolf (Sortier- und Waldkommando) zu acht Jahren Haft.
(Verfahren gegen Dubois und Fuchs wg. ähnlicher Tätigkeiten in Belzec waren eingestellt worden)

Einige wurden freigesprochen mit der Begründung, sie hätten irrtümlich aber unverschuldet angenommen, ihnen drohe bei Befehlsverweigerung unmittelbare Gefahr für Leib und Leben: Robert Jührs, Erich Lachmann, Hans-Heinz Schütt), Heinrich Unverhau, Ernst Zierke.
Kurt Bolender (Lager 3) beging Selbstmord.
(Die Verfahren wg. ähnlicher Tätigkeiten in Belzec gegen Jührs, Unverhau und Zierke waren eingestellt worden).

Legt man als Definition von Beihilfe eine „Tätigkeit im Lager als Teil der Vernichtungsmaschinerie und damit Förderung der Morde durch aktives Tun“ zugrunde, hätten die Verfahren nicht eingestellt und die Freisprüche nicht erfolgen können (vgl. dazu unten das „Demjanjuk-Urteil“ von 2011).

Trawniki-Männer
In der Sowjetunion wurde einer - unbekannten – Anzahl von Trawniki-Männern der Prozess u.a. wegen Verbrechen gegen die Menschheit gemacht. In Kiew wurden 1962 zehn ukrainische Wachmänner in Sobibor zum Tode verurteilt, der elfte zu 15 Jahren Haft; ebenso sechs Trawniki in Krasnodar (Schelvis, a.a.O., S. 48)..

Der ukrainisch-stämmige Wachmann John/Iwan Demjanjuk wurde am 12. Mai 2011 vom Landgericht München II wegen Beihilfe zum Mord verurteilt, er starb vor Rechtskraft des Urteils. Das Gericht sah seine Tätigkeit u.a. im Lager Sobibor als ausreichend an, er sei Teil der Vernichtungsmaschinerie gewesen und habe so die Morde durch aktives Tun gefördert – eine seit den 1950er Jahren bestehende Rechtsauffassung, die jahrzehntelang von bundesdeutschen Gerichten ignoriert bzw. verworfen worden war (Rüter/de Wildt, a.a.O., Band XLIX, Nr. 924). Neuerdings sieht der Bundesgerichtshof das auch so, vgl. Urteil vom 20. September 2016 betr. Oskar Gröning, den „Buchhalter von Auschwitz“.

Literatur/Medien
Bildungswerk Stanislaw Hantz u.a. (Hg.): Fotos aus Sobibor. Die Niemann-Sammlung zu Holocaust und Nationalsozialismus, Berlin 2020; darin Kurzbiografien der deutschen Täter, S. 351 ff.
Rüter/de Wildt (Hg.): Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen, Amsterdam
Berger, Sara: Experten der Vernichtung. Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka, Hamburg 2013, bes. S. 363ff.
Blatt, Thomas „Toivi“: Sobibór – der vergessene Aufstand, Hamburg/Münster 2004, S. 133ff. und S. 195ff.
Petscherski, Aleksandr: Bericht über den Aufstand in Sobibor, Berlin 2018
Schelvis, Jules: Vernichtungslager Sobibór, Hamburg/Münster 2003, bes. S. 298ff.