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Turin

Hauptstadt der Region Piemont

Eingang des Museo Diffuso della ResistenzaDie Stadt
Schon vor dem Machtantritt der Faschisten 1922 war Turin, die Hauptstadt des Piemont, eine Hochburg der militanten Arbeiterbewegung, deren Tradition auch in den Jahren bis zur deutschen Okkupation 1943 nicht in Vergessenheit geriet. Die Großbetriebe (vor allem Fiat und Aeritalia) gehörten zum Zentrum der italienischen Rüstungsindustrie, die vom September 1943 an der deutschen Kriegswirtschaft untergeordnet wurde. Rasch entwickelte sich die Arbeiterschaft der Turiner Fabriken zum Fundament des antifaschistischen Widerstands gegen die Repräsentanten und die Herrschaftspraxis des Salò-Regimes und der deutschen Besatzung. Dieser Widerstand war eng vernetzt mit der Resistenza in der Stadt und mit dem Kampf der in der Region operierenden Partisanen (siehe auch Colle del Lys). Im Mittelpunkt der bereits im Frühjahr 1943 beginnenden, immer wieder aufflammenden Streikbewegung standen bis zur Befreiung im April 1945 die Fiat-Werke. Die Resistenza Turins verfügte zudem über eine feste Basis unter antifaschistischen Studenten und Intellektuellen aus der kommunistischen Partei und aus der Gruppe Giustizia e Libertà (Antifaschistische Parteien).

Die Instanzen der im September 1943 mit deutscher Hilfe eingesetzten Marionettenregierung Mussolinis verfolgten in Zusammenarbeit mit dem deutschen Sicherheitsdienst (SD) die Widerstandsgruppen mit Brutalität. Im Frühjahr 1944 verlor die Resistenza des Piemont auf diese Weise ihre gesamte militärische Führung durch Verhaftungen und vom faschistischen Sondergericht angeordnete, bis kurz vor der Befreiung am 25. April 1945 anhaltenden Exekutionen.     


Gedenkorte in Turin     
Übersicht über die Gedenkorte in Turin im Eingang des MuseumsMuseo Diffuso della Resistenza, della Deportazione, della Guerra, dei Diritti e della Libertà
Seit 2003 hat das Museum seinen Standort im Palazzo dei Quartieri Militari am Corso Valdocco 4/A und bietet in seinen modern ausgebauten Kellergewölben die elektronische Präsentation von Zeitzeugenberichten und Dokumenten für die Jahre 1938–1948. Zeitzeugen berichten von ihren Erfahrungen während der deutschen Besatzungszeit und während ihrer Mitarbeit in der Zeit der Illegalität bei FIAT, in den Widerstandsgruppen der Stadt und bei den Partisanen. Filme mit Wochenschauberichten zeigen das Leben in Turin zwischen 1938 und 1945 aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Für das Studium der Medaglia d'oro di valor militare für TurinInformationen und der Dokumente auf dem Multimedia-Tisch ist ausreichend Zeit erforderlich. Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr; Donnerstag von 14 bis 22 Uhr; Montag geschlossen. (Tel. 011 4363470, www.museodiffusotorino.it)
Eine Reihe von Ehrentafeln im Innenhof des Museums würdigen den Widerstand in Turin.

 

Beispiel für eine Station des RundgangsStadtrundgang Turin 1938–1948
Das Resistenza-Museum ist ein auf die ganze Stadt verteiltes („diffuso“)  Museum. Neben dem Standort am Corso Valdocco beinhaltet es 19 Orte der Erinnerung unter dem Motto  „Torino 1938–1948 – I luoghi della memoria“. Zu diesen Erinnerungsorten gehören u.a. neben den unten angeführten auch die jüdische Synagoge, das GefGedenkstätte Sacrario del Martinettoängnis „Le Nuove“ (heute Museum), das ehemalige Gestapo-Hauptquartier „Albergo Nazionale“ (nicht zugänglich) und der als „Campo della Gloria“ bezeichnete Teil des Turiner Hauptfriedhofs mit den 48 kubusförmigen Marmor-Stelen für die über 1.200 Turiner Opfer des Widerstandskampfes. Mit Hilfe von Mobiltelefonen, die eine Kamerafunktion besitzen, können am jeweiligen Ort zusätzliche Informationen, Bilder und Dokumente abgerufen werden. Ein Faltblatt mit einem markierten Stadtplan und Erläuterung zu den Gedenkorten ist im Museo Diffuso erhältlich. (Die Beschreibung eines „Spaziergangs durch Turin auf den Spuren der Resistenza“ mit einem Stadtplan und dort eingetragenen Stationen findet sich bei Bade/Mikuteit, S. 43 ff.)


Sacrario del Martinetto
Der ehemalige militärische Schießplatz der Stadt wurde vom Salò-Regime als Exekutionsort bestimmt. Dort wurden 59 Mitglieder der Resistenza hingerichtet. Heute befindet sich dort das Sacrario del Martinetto ( Ecke Corso Svizzera Corso Appio Claudio). Der Gedenkort kann nur mit Führung besichtigt werden, ist aber von außen einsehbar.
Ehemaliger Hinrichtungsort Bildtafeln vor dem Sacrario

                                                             
Via S. Bernardino
Die Militanz der Turiner Arbeiterklasse mit ihren Höhepunkten während der Fabrikbesetzungen 1917/1918 und zu Beginn der 1920er Jahre blieb auch in zwanzig Jahren des Faschismus lebendig. „Die …Via Dante di Nanni hat ihren Namen von einem 1944 neunzehnjährig gefallenen Partisanen der GAP (gruppi di azione patriotica), der vermutlich ersten Stadtguerilla. Nanni, bei einer Aktion in einem anderen Teil der Stadt schwer verwundet, zog sich hier in das Arbeiterviertel Borgo San Paolo zurück, wurde von den faschistischen Kollaboranten an die Deutschen verraten und hielt sich … einen halben Tag gegen ein großes, von einem Panzer unterstütztes militärisches Aufgebot; als seine Situation aussichtslos war, stürzte er sich, um der Verhaftung und Tortur zu entgehen, aus dem Fenster."  (Kammerer/Krippendorff, S. 177) Heute ist das Haus, in das sich der junge Partisan vor dem tödlichen Kampf geflüchtet hatte, einer der 19 Luoghi des Resistenza-Monument in Pian del LotMuseums ("Casa di Dante Di Nanni“ in der Via S. Bernadino 14).

Pian del Lot - Gedenkfeier 1945Pian del Lot
Der außerhalb von Turin gelegene Gedenkort ist erreichbar über den Corso Moncalieri und die Kommunalstraße San Vito in Richtung Colle di Maddalena und Reliasco; nach etwa 5 km außerhalb Turins zeigt ein Wegweiser nach rechts zum Pian del Lot. Hier erschoss am 2. April 1945 ein deutsches Exekutionskommando zur Vergeltung des Todes eines deutschen Offiziers im Taleinschnitt des Pian del Lot 27 Angehörige des Widerstands, die im Turiner Gefängnis „Le Nuove“ inhaftiert waren.

 

Der Parco delle Repubbliche Partigiane Piemontesi in der Nähe der Colle della Maddalena (Strada San Vito-Revigliasco) ist auch dem Andenken an das Massaker von Pian del Lot gewidmet.

Stolpersteine in Turin
In Turin wurden am 10. und 11. Januar 2015 erstmals Stolpersteine – “Pietre d’Inciampo” – verlegt. Informationen dazu: resistenza.eu/stolpersteine-in-turin

Einrichtungen:
Istituto piemontese per la storia della Resistenza e della società contemporanea 'Giorgio Agosti':  Via del Carmine 13, 10122 Turin, Telefon: +39 011 4380090, www.istoreto.it.
Museo del Carcere ‚Le Nuove‘, Corso Vittorio Emanuele II 127, www.museolenuove.it.
Im ehemaligen Gefängnis Le Nuove wurden Juden vor ihrer Deportation in die Konzentrationslager eingekerkert. Politiker, wie die im März 1944 verhaftete Führung des militärischen Flügels des CLN Piemont (CMRP) um General Giuseppe Perotti, verbrachten hier die letzten Tage ihres Lebens vor ihrer Hinrichtung am Erschießungsplatz von Martinetto. Resistenza-Mitglieder wie Emanuele Artom starben hier oder wurden wie Willy Jervis nach monatelangem Aufenthalt im Nuove an anderer Stelle (bei Torre Pellice) ermordet. Heute ist Le Nuove ein Museum und kann auf einem geführten Rundgang besichtigt werden.
Centro Studio Piero Gobetti (seit 1961 im früheren Wohnhaus von Ada und Piero Gobetti) Es umfasst neben der Bibliotheca Noberto Bobbio auch ein umfassendes Archiv und viele online verfügbare Quellen. Via Fabro, 6, Turin, Tel. 011/531429; E-Mail: [email protected]; www.centrogobetti.it
 

Literatur/Medien:
Kammerer, Peter, Krippendorff, Ekkehart: Reisebuch Italien. Von Südtirol bis zur Toskana – der Norden. Hamburg, überarbeitete Neuausgabe 1998, S. 176; Bade, Sabine und Mikuteit, Wolfram, Partisanenpfade im Piemont. Wege und Orte des Widerstands zwischen Gran Paradiso und Monviso. Ein Wanderlesebuch. Konstanz 2018, S. 43 ff.; www.anpi.it/donne-e-uomini/dante-di-nanni/; www.istoreto.it/torino38-45/download/torino38-45.pdf; it.wikipedia.org/wiki/Eccidio_del_Pian_del_Lot; it.wikipedia.org/wiki/Parco_delle_Repubbliche_Partigiane_Piemontesi