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Como

Region Lombardei / Provinz Como

Die Stadt
Monumento alla Resistenza EuropeaComo ist mit 86.116 Einwohner/innen (Stand 31. Dezember 2011) der Hauptort der gleichnamigen lombardischen Provinz.  Die Nähe zur Schweizer Grenze – Como liegt nur circa 8 Kilometer vom Grenzübergang Chiasso entfernt – bewahrte die Stadt im Gegensatz zum circa 45 km entfernten Mailand im Zweiten Weltkrieg vor Bombardierungen durch die Alliierten. Dies und die gute Lage veranlassten viele hohe faschistische Funktionäre, aber auch Wehrmachtsoffiziere, die ihren Dienstsitz in Mailand hatten, in Como zu wohnen. Giuseppe Terragni, bekennender Faschist und einer der Wegbereiter der italienischen architektonischen Moderne, des italienischen Rationalismus, hat in Como mit dem „Novocomum“ (1926–1929), mit der „Casa del Fascio“ (1932–1936) und dem „Monumento ai caduti di Como“ (1930–1933) seine Hauptbauwerke hinterlassen (s.u.).

Die Ereignisse
Am 12. September 1943 besetzten die Deutschen Como. Schon zuvor hatten sich in der Stadt Widerstandszirkel gegründet, in denen sich Antifaschisten – Demokraten, Sozialisten, Kommunisten, Aktionisten und Liberale – engagierten. Nach einem ihrer bekanntesten Protagonisten, dem Richter und Mitglied im Generalkommando der Garibaldi-Brigaden, Pier Amato Perretta, ist heute das Resistenza-Institut der Provinz benannt. Perretta wurde am 13. November 1944 bei einem Schusswechsel mit der SS verletzt und starb drei Tage später in Hospital von Niguarda. Die Nähe zur Schweiz einerseits und zur Zentrale des CLN in Mailand andererseits machte Como zu einem wichtigen Ort zur Übermittlung von Nachrichten zwischen dem Hauptquartier des CLN und den Gesandten der Allierten in Lugano und zu einem Anlaufpunkt für Flüchtlinge, die hier die grüne Grenze passieren wollten.
In der Provinz Como waren während der 20 Monate Besatzungsherrschaft 4.426 WiderstandskämpferInnen aktiv, von denen 505 starben.

Gedenken

Monumento alla Resistenza Europea
Im Stadtgarten von Como direkt am Seeufer (Lungolago Mafalda di Savoia) wurde am 28. Mai 1983 die Gedenkstätte für den europäischen Widerstand gegen das NS-Regime, das Monumento alla Resistenza Europea, eingeweiht.
Das Monument besteht aus drei im Kreis angeordneten Marmortreppen, die den Weg in die Arbeits- und Vernichtungslager symbolisieren sollen. In der Mitte der Treppen stehen drei schräg im Boden positionierte Stahlplatten, auf denen 18 kurze Passagen aus den letzten Briefen zum Tode verurteilter europäischer WiderstandskämpferInnen in ihrer jeweiligen Originalsprache eingelassen sind. Die Texte stammen aus den „Lettere di condannati a morte della resistenza europea“, erstmals veröffentlicht bei Einaudi 1954. Texte von Frauen und Männern verschiedener sozialer Klassen, mit ganz unterschiedlichen politischen und religiösen Anschauungen:

Aus Belgien Marguerite Bervoerts, Lehrerin und Dichterin, enthauptet am 9.8.1944;
Aus Bulgarien Ahmed Tatanov Ammedov, erhängt am 16.5.1944;
Aus Dänemark Christian Ulrik Hansen, Student, erschossen am 23.1.1944;
Aus Deutschland Elli Voigt, Arbeiterin, enthauptet am 8.12.1944;
Aus Frankreich Jacques Decours, Schriftsteller, erschossen am 30.5.1942;
Aus Griechenland Serafim Triantafilou, Rechtsanwalt, erschossen am 26.3.1944;
Aus Italien Pier Amato Perretta, Richter, nach Gefangennahme gestorben am 15.11.1944;
Aus Jugoslawien Ratko Zaric, Student, erschossen am 4.5.1943;
Aus Luxemburg Adolphe Claude, Arbeiter, enthauptet am 12.2.1942;
Aus den Niederlanden Anne Frank, jüdische Schülerin, Bergen-Belsen im Februar 1945;
Aus Norwegen Borgen Boe, erschossen am 29.12.1941;
Aus Österreich Rudolf Fischer, Arbeiter, enthauptet am 28.1.1943;
Aus Polen die Inschrift an einer Zellenwand des Gestapo-Hauptquartiers in Warschau;
Aus Rumänien Filomon Sirbu, Arbeiter, erschossen am 17.7.1944;
Aus der Sowjetunion Irina Malozon, Mädchen des Komsomol, erschossen;
Aus der Tschechoslowakei Julius Fucik, Journalist und Schriftsteller, enthauptet am 18.9.1943;
Aus Ungarn Istvan Pataki, Arbeiter, erschossen am 24.12.1944;
Aus Galizien Chaim, ein 14-jähriger Junge im Namen der Juden ganz Europas. In seinen letzten Zeilen schrieb er:

Wenn der Himmel Papier und alle Meere der Welt Tinte wären, könnte ich meine Leiden und alles, was um mich herum ist, nicht beschreiben … Ich sage allen Lebewohl und weine …“

Auf Erklärungstafeln vor den Metallplatten stehen die Textpassagen in 7 Sprachen – auch auf Deutsch.

 

Tafel mit Auszügen aus letzten Briefen Letzter Brief von Elli Voigt

Gedenkstein für Giorgio Perlasca
Ganz in der Nähe des Monumento alla Resistenza Europea im Stadtgarten (Lungolago Mafalda di Savoia) steht ein Gedenkstein für den aus Como stammenden Giorgio Perlasca (1910–1992), der in den Jahren 1944/45 als Geschäftsmann in Budapest tausende Juden vor der Deportation rettete. Im Jahr 1989 wurde Giorgio Perlasca von Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" geehrt.

Cimitero Monumentale di Como
Auf dem größten Friedhof von Como (Cimitero Monumentale) wurde 1954 mit dem Monumento ai caduti della Resistenza die erste Gedenkstätte für die Opfer des Widerstands errichtet und am 25. April 1955, zum 10. Jahrestag der Befreiung, eingeweiht. 

Ebenfalls auf diesem Friedhof befindet sich eine Gedenktafel für die Opfer der Deportationen.

Monumento ai caduti della Resistenza Tafel an der Friedhofsmauer

Namen von Straßen und Plätzen
Gedenktafel für Massenzio MasiaNach der Befreiung wurden während des Faschismus vergebene Namen von Straßen und Plätzen geändert. So wurde beispielsweise aus der Via Adua die Via Giustizia e Libertà, aus der Via Impero die Via Filippo Turati und aus der Piazza Impero die Piazza del Popolo. Die Opfer des Widerstands werden mit der Viale Giancarlo Puecher (früher: Via Galeazzo Ciano) gewürdigt, benannt nach einem 20-jährigen Widerstandskämpfer, der nach einer Durchkämmungsaktion verhaftet und am 21. Dezember 1943 hingerichtet wurde. Die frühere Via 23 Marzo ist benannt nach dem Mathematikprofessor Adolfo Vacchi, der wegen seiner Arbeit im Widerstand, vor allem seiner Verbindungen zu den Alliierten in Lugano, am 5. September 1944 am Cimitero Camerlata erschossen wurde. Die Via Emanuele Filiberto trägt nun den Namen des aus Como stammenden Massenzio Masia, eines der Gründer des Partito d’Azione, der wegen seiner Untergrundtätigkeit in der Emilia-Romagna am 3. September 1944 verhaftet, von einem Sondergericht in Bologna zum Tode verurteilt und am 23. September 1944 erschossen wurde. Die frühere Piazza Italo Balbo heißt nun Piazza Pier Amato Perretta.

Casa del Fascio und Monumento ai caduti di Como
Weder am von Giuseppe Terragni errichteten Monumento ai Caduti für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges noch an der Casa del Fascio finden sich Gedenktafeln für deren Bedeutung für die deutsche Besatzung und den italienischen Faschismus. Lediglich architekturgeschichtliche Hinweise sind den Erklärungstafeln zu entnehmen. 
Die Casa del Fascio (Piazza del Popolo, heute Sitz der Guardia di Finanza) war als Sitz des Partito Nazionale Fascista (PNF) der Symbolort der Faschisten in Como und während des Salò-Regimes auch Gefängnis und Folterzentrale. 
Am gewaltigen Gefallenendenkmal, das die Uferpromenade Comos dominiert, landeten am 29. April 1945 die alliierten Truppen. Hier wurden danach auch die Todesurteile gegen zwei hochrangige Faschisten vollstreckt (Viale Puecher).

L'Istituto di storia contemporanea „Pier Amato Perretta“
Das Resistenza-Institut der Provinz Como wurde als „Istituto Comasco per la Storia del Movimento di Liberazione“ im Jahr 1977 gegründet. Seit 1998 trägt es den Namen Pier Amato Perrettas. Das als Außenstelle in Cernobbio betriebene Forschungszentrum „Schiavi di Hitler“ widmet sich der Aufarbeitung des Schicksals der circa 600.000 italienischen Militärinternierten (IMI).
Adresse: L'Istituto di storia contemporanea „Pier Amato Perretta“, Via Brambilla 39, 22100 Como, Tel. 031.306970, E-Mail: [email protected], www.isc-como.org/iscmuseodellinternamento.it/index.php?cp=894

Literatur/Medien:
Malvezzi, Piero und Pirelli, Giovanni (Hg.): Und die Flamme soll Euch nicht verbrennen – Letzte Briefe europäischer Widerstandskämpfer, mit einem Vorwort von Thomas Mann, Berlin 1956; L'Istituto di storia contemporanea „Pier Amato Perretta“: Pier Amato Perretta – un uomo in difesa della libertà, Como 2005; L'Istituto di storia contemporanea „Pier Amato Perretta“: Memoria resistente – Parole, immagini e luoghi della Resistenza Italiana ed europea in provincia di Como, Como 2012; de.wikipedia.org/wiki/Giorgio_Perlasca; it.wikipedia.org/wiki/Massenzio_Masia; www.anpi.it/donne-e-uomini/pietro-amato-perretta