Der Bezirk Vilnius umfasste während der deutschen Besatzung 1941 bis 1944 den südöstlichen, an Weißrussland angrenzenden Teil Litauens mit der Hauptstadt des Landes, Vilnius, und mit dem Territorium Vilnius-Land. Dieses Gebiet hatte bis zur Zerschlagung Polens durch den Hitler-Stalin-Pakt 1939 zum großen Teil zum 1918 neu entstandenen polnischen Staat gehört, der es nach dem Ersten Weltkrieg gegen den erfolglosen Widerstand Litauens annektiert hatte. Während der deutschen Besatzungszeit 1941–1944 unterstand die Stadt Vilnius ab August 1941 dem Stadtkommissar Hans Christian Hingst, einem aus Schleswig-Holstein stammendem SA-Sturmbannführer. In Vilnius war außerdem eine Außenstelle des SS-Einsatzkommandos 3 stationiert. Diese beiden Instanzen übten in der Stadt Vilnius jenen Besatzungsterror aus, dem fast die ganze jüdische Bevölkerung von Vilnius und zahlreiche Kommunisten und Sympathisanten der vertriebenen sowjetisch-litauischen Administration zum Opfer fielen. Unterstützt wurden die deutschen Besatzer von der litauischen Zivilverwaltung mit dem Bürgermeister der Stadt an der Spitze und von litauischen Hilfstruppen (Kollaboration).

Bezirk Vilnius (lL. Briedis)Vor dem Zweiten Weltkrieg, als Vilnius noch zu Polen gehörte, war Vilnius eine multiethnische Stadt mit mehr als 200.000 Einwohnern; ca. zwei Drittel von ihnen waren Polen, nahezu 30% Juden, ca. 5% Russen, nur etwa 1% waren Litauer. In dem Bezirk Vilnius lebten ebenfalls ca. 60% Polen, 23% Weißrussen, 5% Litauer, 3% Russen und etwas über 8% Juden (polnischer Zensus von 1931). Der Hitler-Stalin-Pakt und der deutsche Überfall auf Polen (August/September 1939), die Deportationen und Flucht während der Sowjetrepublik Litauen (1940/41) und die Folgen der deutsche Besatzungszeit 1941 bis1944 führten zu einer radikalen Veränderung der Bevölkerungsstruktur: Vilnius war 1939 Hauptstadt Litauens geworden und ist es seit der Befreiung 1944 bis heute; den Holocaust hatten nur ungefähr 1.000 von ehemals ca. 70.000 Juden in Vilnius überlebt; die polnische Mehrheitsbevölkerung der Stadt wurde 1944/45 fast vollzählig mehr oder weniger gezwungen, nach Westpolen umzusiedeln, die russische Minderheit wuchs, die Litauer wurden zur Bevölkerungsmehrheit.

Das Territorium außerhalb der Stadt Vilnius unterstand ab August 1941 dem Gebietskommissar für Vilnius-Land, SS-Sturmbannführer Horst Wulff. Dem Gebiet gehörten zunächst vier Landkreise an (Alytus, Trakai, Švenčionys und Vilnius Land), im April 1942 kamen die weißrussischen Kreise Asman, Eišiškės und Svyriai hinzu. Auch in diesen ländlichen Gegenden wütete die Vernichtungspolitik der deutschen Besatzer.

Heute ist der Bezirk Vilnius mit über einer Million Einwohner auf Grund seiner Geschichte der größte multiethnische Bezirk Litauens, mit einer überwiegend polnischen Bevölkerung. Die daraus entstehenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Spannungen werden durch den voranschreitenden Urbanisierungsprozess der Metropole Vilnius verstärkt. Die Zahl der in dem Bezirk lebenden Juden lag nach einem Zensus von 2011 bei 100, in der Stadt leben heute etwas über 2.000 Juden, meist durch Zuzug aus der ehemaligen Sowjetunion.

Die Darstellung der Verbrechen während der deutschen Besatzung 1941/1944 in dem Bezirk Vilnius bezieht sich auf die Stadt Vilnius und zahlreiche – längst nicht alle – Gedenkorte in dem Gebiet Vilnius-Land in der damaligen administrativen Zuordnung.

Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Bd. 2, u.a. S. 107ff.; Gräfe 2010, Vom Donnerkreuz zum Hakenkreuz, S. 143-227; Tauber, Joachim / Tuchtenhagen, Ralph: Vilnius. Kleine Geschichte der Stadt, Köln u.a. 2008

https://de.wikipedia.org/wiki/Vilnius#Einwohnerentwicklung
https://de.wikipedia.org/wiki/Verwaltungseinteilung_Litauens
http://www.litauen.info/landkarte-litauen/bezirk-vilnius/ (Abb. Karte / Leidykla Briedis)
http://lithuaniangenealogy.org/static_db/LT-settlements.php
https://en.wikipedia.org/wiki/Demographic_history_of_the_Vilnius_region (Zensus 2011)