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Vallucciole / Stia

Region Toskana / Provinz Arezzo

Vallucciole heuteDer Ort
Das heute auf wenige bewohnte Häuser reduzierte Dorf liegt im oberen Arnotal ca. 30 km nordöstlich von Florenz. Vallucciole ist eine Teilgemeinde der Stadt Stia im Casentino nördlich von Arezzo. Es ist über die SS 556 Londa–Stia zu erreichen. Von Londa kommend 8 km vor Stia zeigt eine ausgeschilderte Abzweigung („Sentiero della Libertá“ mit Lageplan) den Weg, der ca. 4 km weiter auf holpriger Waldstraße nach Vallucciole führt.

Die Ereignisse
Bei der Mulino di Bucchio, wenige Kilometer von Vallucciole entfernt, töteten Partisanen am 12. April 1944 in einem Gefecht zwei deutsche Soldaten. Im Rahmen eines bereits begonnenen mehrtägigen Unternehmens zur Partisanenbebekämpfung in den Bergen des östlichen Apennin durchkämmten am 13. April 1944 Angehörige der Aufklärungseinheit des Panzerregiments „Hermann Göring“ die am Hang zum Monte Falterona liegende Gemeinde mit ihren Weilern und Häusergruppen. Angehörige der Einheit zerstörten das Dorf und töteten über hundert unbewaffnete Bewohner: 46 Männer, 46 Frauen, 22 Kinder. Kommandeur der Aktion war ein Rittmeister Kurt-Christian von Loeben. Nur wenige der Dorfbewohner überlebten das Massaker. Die Soldaten richteten bei ihrem Aufstieg zum Monte Falterona in jedem der Weiler ein Blutbad an, erschossen Jugendliche und Männer, Behinderte, Frauen mit Säuglingen an der Brust, Kinder, sie warfen Babies in die Luft, die sie „wie Tontauben“ abschossen. Die Häuser brannten sie nieder. Kirchenvertreter und selbst die faschistische Verwaltung führten wegen der verübten Gräueltaten Beschwerde, zumal die Soldaten der Hermann-Göring-Division in der unmittelbaren Umgebung ihr Wüten fortsetzten und im Verlauf ihrer mörderischen Orgie schließlich in Stia 17 junge Partisanen an der Friedhofsmauer töteten.

Gedenken
An der Abzweigung von der SS 556 auf die kleine Waldstraße nach Vallucciole erinnert eine Informationstafel an das Verbrechen vom 13. April 1944. Auf diesem Sträßchen in Richtung Vallucciole passiert man eine wohl dauerhaft geschlossene Kapelle, an deren Ende man zu einem  kleinen, nicht mehr gepflegten Dorffriedhof gelangt. Dort erinnern verblassende Inschriften und Portraits der Opfer an das Massaker.

Auf den Spuren des Verbrechens Friedhof von Vallucciole Eines der Gräber

Gedenken in Stia

Auch in Stia erinnern eine Reihe von Gedenktafeln und Mahnmale an die Opfer von Vallucciole. Eine Gedenkstätte befindet sich am Eingang des ca. 200 m vom Rathaus entfernten Friedhofs. Dort sind die 17 getöteten Partisanen in Einzelgräbern bestattet.

Gedenkstätte mit den Gräbern der 17 Partisanen Tafel mit Namen der Opfer von Vallucciole Gedenktafel am Rathaus von Stia

Aufklärung und Strafverfolgung
Eine britische Ermittlungskommission erstellte bereits 1945 u.a. auf Grund von Augenzeugenaussagen einen detaillierten Bericht über die Ereignisse in Vallucciole. Jahrzehnte lang spielte das Verbrechen nur am Rande anderer Strafprozesse eine Rolle. Seit 1998 befasste sich die Militärstaatsanwaltschaft La Spezia vor allem auf Grund von Forschungsarbeiten des Historikers Carlo Gentile und der im „Schrank der Schande“ wieder aufgetauchten Ermittlungsakten mit den Mordtaten. Deren Anklage führte am 6. Juli 2011 zur Verurteilung von sieben früheren Angehörigen des Panzerregiments „Hermann Göring“ durch das Militärgericht Verona zu lebenslanger Haft. Die Angeklagten, die in Deutschland in Freiheit lebten und im März 1944 an den Massakern in Vallucciole und Umgebung beteiligt waren, waren zu dem Prozess nicht erschienen.

Literatur / Medien:
Andrae, Friedrich: Auch gegen Frauen und Kinder. München 1995, S. 130 f.; Schreiber, Gerhard: Deutsche Kriegsverbrechen in Italien, München 1996, S. 162 f.; Gentile, Carlo: Vallucciole 1944. In: Ueberschär, Gerd R(Hg.): Orte des Grauens. Darmstadt 2003, S. 248 ff.
resistenzatoscana.org/monumenti/stia/sacrario_di_vallucciole/
https://www.regione.toscana.it/-/comune-di-stia-ar-