Bezirk Alytus

Der Ort
Gedenkstätte SeirijaiSeirijai ist ein heute kleiner Ort im Amtsbezirk Lazdijai. Er zählt etwa 800 Einwohner (2011) und liegt 25km südlich der Hauptstadt des Bezirks Alytus und 27km nördlich der Amtsbezirksstadt Lazdijai. Von dieser erreicht man Seirijai auf der Straße Nr. 134 oder von Alytus aus auf der Straße Nr. 132.

Die Ereignisse
Im 19. Jahrhundert war Seirijai ein aufblühendes Handelszentrum. Einen Einbruch erlebte die Stadt durch zwei Großbrände Anfang des 20. Jahrhunderts und Deportationen im Ersten Weltkrieg. In der Zwischenkriegszeit erholte sich die Stadt und die jüdische Gemeinde. 1930 lebten in Seirijai über 200 jüdische Familien, die den Handel und die Leichtindustrie dominierten. Mit Kriegsbeginn 1941 wurde ein erheblicher Teil der Stadt und ihre Infrastruktur durch deutsche Bombardierung zerstört. Unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Juni 1941 begannen litauische „Weißarmbinder“ mit der Verfolgung und Ermordung von jüdischen Einwohnern, Arbeitsfähige mussten Zwangsarbeit leisten. Bereits in den ersten Tagen der deutschen Besatzung bildete sich eine bewaffneten „Partisanen“-Truppe, die mit dem deutschen Sicherheitsdienst (SD) zusammenarbeitete. Mitglieder dieser Truppe trieben eine große Zahl von jungen Juden in das Gefängnis von Alytus. Dort wurden sie mit anderen Juden der umliegenden Orte ermordet. Auch Mitglieder der Kommunistischen Partei, überwiegend Litauer, wurden in den ersten Wochen getötet. Die übrige jüdische Bevölkerung von Seirijai und den umliegenden Ortschaften wurde in einer Berufsschule interniert.

 

Gedenkstafel

Gedenkstein

Am 11. September 1941 kam eine Einheit des Rollkommandos Hamann unter dem Kommando von Bronius Norkus nach Seirijai und begann mit Hilfe der einheimischen „Weißarmbinder“ zunächst die Männer in das ca. 3km entfernte Dorf Baraučiškės zu treiben. Im nahe gelegenen Wald mussten sie zwei Gruben ausheben, bevor sie erschossen und in eine der Gruben geworfen wurden. Die zweite war für die Frauen und Kinder bestimmt. Laut Jäger-Bericht wurden insgesamt 953 Menschen ermordet: 229 Männer, 384 Frauen und 340 Kinder.

Nach 1990
Nach Öffnung der Staats- und der Archive des sowjetischen Geheimdienstes in den baltischen Staaten wurden auch Namen ehemaliger litauischer Kollaborateure bekannt, unter anderem Jonas Stelmokas, damals Leutnant der Hilfstruppe des Rollkommandos Hamann und maßgeblich beteiligt an den Mordaktionen, vor allem in Leipalingis, Seirijai und Simnas. Er emigrierte 1949 in die USA und erhielt die amerikanische Staatsbürgerschaft. Nach Aufdeckung seiner Identität 1992 lehnte das US-Justizministerium trotz Vorlage hinreichender Beweise die Aberkennung seiner Einbürgerung zunächst ab. Erst 1996 wurde ihm die Staatsbürgerschaft aberkannt. Stelmokas starb vor seiner Ausbürgerung in Pennsylvania.

Gedenken
An der Straße Nr. 180 Druskininkai – Leipalingis – Seirijai weist ca. 3km vor Seirijai (Abzweig Šilaičiai 1km) ein braunes Schild (Žydų Genocido Kapai 0,5km) zum ehemaligen Mordplatz. Diesem Hinweisschild folgt man auf einem kleinen Asphaltweg, von dem nach knapp 250m in einer Rechtskurve ein kleiner Weg links zu einem zweiten blauen Hinweisschild (Žydų Kapai 0,2km) führt. Man folgt dem Wegweiser ca. 150 Meter auf einem Grasweg in den Wald hinein bis zu einem schwarzen Markstein (100m), der nach links zum Gedenkort weist. Auf dem Gedenkstein steht in Litauisch und Jiddisch: „Das Blut von 953 Juden – Kinder, Frauen und Männer – wurde an diesem Platz vergossen. Sie wurden von den Nazis und ihren lokalen Kollaborateuren am 11. September 1941 brutal ermordet.”
54.21349306 23.84825639 / 54°12.8096'N 23°50.8954'E

Literatur / Medien
Bubnys, Arūnas: Die litauischen Hilfsbataillone und der Holocaust, in: Bartusevičius u.a. (Hg.): Holocaust in Litauen, 2003, S. 121, S. 306 (Jäger-Bericht); Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 374; Holocaust Atlas  2011, S. 23; Levinson, Joseph (Hg.): The Shoah (Holocaust) in Lithuania, The Vilna Gaon Jewish State Museum, Vilnius 2006, S. 128ff.; Wette 2011: Karl Jäger (Jäger-Bericht im Anhang Blatt 4).

http://www.holocaustatlas.lt/Seirijai 
http://www.yahadmap.org/#village/seirijai-serey-alytus-lithuania.1122
http://www.vilnaghetto.com/gallery2/v/lithuania/CITIES_001/Serey++Seirijai+2.jpg.html
https://kehilalinks.jewishgen.org/serey/Serey1a.html (Joseph Rosin: Seirijai)
https://immigrationlawhope.com/us-citizenship/ (Example of Lost Citizenship)
https://www.jweekly.com/1998/01/16/nazi-war-criminals-have-found-haven-in-philadelphia/