Region Emilia-Romagna / Provinz Rimini

Der Ort
Fragheto di Casteldelci ist ein auf ca. 750 m Höhe liegender Weiler im emilianischen Apennin im äußersten Süden der Region nahe der Grenze zu Umbrien und den Marken. Bis zur Gebietsreform im Jahr 2009 gehörte Fragheto di Casteldelci noch zur Provinz Pesaro in den Marken.
Von der Provinzhauptstadt Rimini aus ist das südwestlich davon gelegene Fragheto di Casteldelci über die SS 258/ SP 76 in Richtung Sansepolcro zu erreichen, von der kurz vor Casteldelci in Richtung Fragheto abgebogen wird (60 km).

Das Ereignis
Fragheto di Casteldelci wurde am Karfreitag 1944 Schauplatz eines Massakers an der Zivilbevölkerung, das mutmaßlich unter Leitung einer Einheit des Sturm-Bataillon „OB Südwest“ (Gentile, S. 314) verübt wurde und dem 30 Menschen zum Opfer fielen, darunter 7 Kleinkinder.

Im Anschluß an ein Gefecht mit Partisanen in der Nacht vom 6. auf den 7. April, bei dem vier deutsche Soldaten fielen, führten Einheiten der Wehrmacht in Fragheto di Casteldelci in der Provinz Pesaro, wohin sich die Widerstandskämpfer zurückgezogen hatten, eine Vergeltungsaktion durch. Nach italienischen Quellen mußten die Einwohner ihre Häuser verlassen. Aber sobald sie auf die Straße traten, „machten die deutschen Soldaten durch Maschinengewehrsalven, Handgranaten und Pistolenschüsse Frauen, Alte, Kinder und Kranke nieder"“ (Schreiber, S. 160).

Nach 1945
Die Ermittlungsunterlagen zu dem Massaker von Fragheto di Casteldelci am 7. April 1944 gehörten zu den ca. 700 Akten mit bis dahin ungesühnten, vor allem von deutschen Soldaten und SS-Angehörigen in Italien verübten Kriegs- und Besatzungsverbrechen, die zu Beginn der 1960er-Jahre im „Schrank der Schande“ vorläufig archiviert und danach in Vergessenheit geraten waren.
Im Jahr 2006 nahm die Militärstaatsanwaltschaft La Spezia den Fall wieder auf. An die Militärstaatsanwaltschaft Verona weiterverwiesen, wurde dort im Jahr 2011 in Abwesenheit der Angeklagten der Prozess gegen drei deutsche Offiziere der für das Massaker verantwortlichen Einheit, Karl Schäfer (geb. 1911), Karl Weiss (geb. 1920) und Ernst Plege (geb. 1922), eröffnet. Am 7. Februar 2013 – der hauptbelastete Angeklagte Karl Schäfer war mittlerweile gestorben – wurde das Verfahren eingestellt: Den beiden anderen Angeklagten konnte eine Schuld an der Massenerschießung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.

Casa FraghetoGedenken
Eine Gedenktafel in Fragheto listet Namen und Alter aller Opfer des Massakers am 7. April 1944 auf; eine andere die 19 Mitglieder der Familie Gabrielli, die fast vollständig ausgelöscht wurde. Eine noch von der Provinz Pesaro aufgestellte Informationstafel zu den „Percorsi della Memoria“ informiert am Ortseingang über das Geschehen.
Eine Informationstafel zu allen Massakern in der Umgebung, die im Frühjahr/ Sommer 1944 zusammen 127 Opfer forderten, steht in Casteldelci am Zugang zur historischen Altstadt (Via Molino).

Casa Fragheto
Im ehemaligen Pfarrhaus von Fragheto befindet sich heute eine Begegnungsstätte, die Raum für Gruppen und Schulklassen u.a. für Seminare der Friedenschule „Scuola di Pace“ bietet.

Marcia della Pace Fragheto – Tavolicci
Jedes Jahr findet am 25. April – dem „Anniversario della liberazione d'Italia“, an dem die Befreiung Italiens gefeiert wird – eine Gedenk- und Friedenswanderung zwischen Fragheto und dem nahem Tavolicci statt. Dort wurden am 22. Juli 1944 durch Angehörige des deutsch-italienischen Polizei-Freiwilligen-Bataillon IV 64 Menschen ermordet, Frauen, Alte und 19 Kinder unter 10 Jahren.

Literatur / Medien:
Gentile, Carlo: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943–1945, Paderborn 2012, S. 314; Schreiber, Gerhard: Deutsche Kriegsverbrechen. Täter, Opfer, Strafverfolgung, München 1996, S. 160; it.wikipedia.org/wiki/Eccidio_di_Fragheto; www.storiamarche900.it/main?p=storia_territorio_fraghetocasteldelci; fragheto.webnode.it;