Region Latium / Provinz Frosinone

Der Ort
Gedenkstätte vor dem ehemaligen KZ Le FraschetteDer in idyllischer Hügellandschaft liegende Weiler Le Fraschette gehört zur Gemeinde Alatri in der Region Latium.
Circa 80 km südöstlich von Rom gelegen ist der Ort von dort aus über die A1 in Richtung Neapel, bei Ausfahrt Anagni / Fiuggi weiter auf SR6/SP49/SP24 erreichbar.

Die Ereignisse
Nachdem sich das faschistische Italien - mit Deutschland durch die „Achse Berlin-Rom“ und den sogenannten „Stahlpakt" verbunden - am deutschen Überfall auf Jugoslawien (6. - 17. April 1941) beteiligt hatte, besetzte die italienische Armee Teile des in diverse Einflusssphären zerstückelten Landes entlang der Küste: Das italienische Besatzungsgebiet umfasste den Süden und Westen Sloweniens bis einschließlich Ljubljana und Teile von Dalmatien, einige Inseln sowie Teile von Montenegro und des Kosovo.

Deportation von Zivilisten aus von Italien okkupierten Gebieten Jugoslawiens
Die italienische Besatzung war von Zwangsmaßnahmen, Geiselerschießungen sowie massenhaften Deportationen und Internierung von Zivilisten - Frauen, Männern und Kindern aus Slowenien, Kroatien und Dalmatien - gekennzeichnet.
Die Verschleppungen sollten den Widerstand gegen das faschistische italienische Besatzungsregime brechen und potentielle Widerstandskämpfer isolieren.

Das Konzentrationslager Le Fraschette
GedenktafelZunächst Ende 1941 als Kriegsgefangenenlager konzipiert, wurde Le Fraschette (campo di concentramento Fraschette di Alatri) im Juli 1942 zur Internierung von mehreren Tausend Zivilisten in Betrieb genommen. Im unter der Leitung des italienischen Innenministeriums stehenden und von Carabinieri bewachten Lager wurden annähernd 200 Holzbaracken errichtet, in denen zunächst aus Libyen deportierte Anglo-Malteser untergebracht wurden.
Ende Oktober 1942 traf der erste Deportationstransport aus den von Italien besetzten Gebieten Jugoslawiens mit 90 Frauen und 164 Kindern aus dem KZ auf der norddalmatinischen Insel Molat (campo di concentramento di Melada) ein. Weitere Transporte folgten: insgesamt wurden circa 2.900 „ex jugoslavi" in das KZ Le Fraschette deportiert (Capogreco, S. 199).
Viele von ihnen stammten aus Jelenje und Podhum, Gemeinden in der Nähe von Fiume (heute: Rijeka). Dort hatten am 12. Juli 1942 italienische Besatzungstruppen auf Anweisung des Präfekten der Provinz, Temistocle Testa, bei einer sogenannten „Vergeltungsaktion" ca. 100 völlig unbeteiligte Männer zwischen 16 und 64 Jahren umgebracht, die Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und alle anderen Einwohner - Frauen, Männer, kleine Kinder und alte Menschen - in verschiedene italienische Konzentrationslager verschleppt. Im KZ Le Fraschette wurden sie nun zusammengefasst.
Mitte Februar 1943 ereichten die ersten Transporte mit Menschen aus der Region Friaul-Julisch Venetien das KZ. Anlass für die Deportation ganzer Familien war meist lediglich die Tatsache, dass sich ein Verwandter dem Widerstand angeschlossen hatte.
Im Sommer 1943 waren 4.500 Menschen - ständig hungernd und unter elendigen hygienischen Bedingungen - im KZ Le Fraschette interniert (Capogreco, S. 200). Neben den bereits erwähnten Opfergruppen auch vor allem Frauen mit ihren Kindern, die zuvor auf die Inseln Ustica, Ponza und Ventotene verbannt (confino) waren.

Der Sturz Mussolinis im Juli 1943 hatte keine Auswirkungen auf das Lager: Appelle, wenigstens Frauen, kleine Kinder und alte Menschen zu entlassen, blieben ungehört.
In den Wirren nach der italienischen Kapitulation blieb ein Großteil der Insassen - trotz geflohenem Wachpersonal - im Lager. Nach der deutschen Besetzung der Region fiel im Dezember 1943 die Entscheidung, die noch etwa 2.000 verbliebenen Insassen nach Norditalien zu verlegen. Die Räumung des Konzentrationslagers Le Fraschette begann Mitte Januar 1944 und war am 19. April 1944 abgeschlossen (Capogreco, S. 200).

Nach der Befreiung im Juni 1944 diente das Areal als Displaced Persons Camp, Massenunterkunft für Menschen, die sich kriegsbedingt außerhalb ihres Heimatstaates aufhielten und ohne Hilfe nicht zurückkehren oder sich in einem anderen Land neu ansiedeln konnten; danach wurde das Lager für Flüchtlinge aus Istrien und Dalmatien und später als Erstunterkunft auch für Italiener aus den ehemaligen afrikanischen Kolonien und Flüchtlinge aus Ostblockstaaten genutzt.

Gedenken
Im Jahr 2001 schrieb der Historiker Carlo Spartaco Capogreco in einem Artikel zum Lager Ferramonti di Tarsia über Le Fraschette: „ ... sind doch bei dem allgemeinen Desinteresse fast aller Protagonisten der italienischen Gesellschaft nach und nach Spuren und Geschichte praktisch aller faschistischen Lager verschwunden. In Nord- und Mittelitalien hat sich dieser Prozess – wenn überhaupt möglich – noch gründlicher vollzogen. Man denke an die Lager von Gonars (Udine), Renicci-Anghiari (Arezzo), Cairo Montenotte (Savona), Fraschette-Alatri (Frosinone), um nur die wichtigsten zu erwähnen, deren Bauten man hat verwahrlosen lassen, soweit man sie nicht vorsätzlich zerstört hat, und deren Geschichte nur in seltenen Fällen Gegenstand wissenschaftlicher Studien gewesen ist. [...] In Alatri (Frosinone) wird jetzt ein Teil der alten Gebäude des riesigen ehemaligen Konzentrationslagers von Fraschette zu einer Herberge für Pilger des Heiligen Jahres umgebaut. Das Schild, das am Eingang Auskunft über die Bauarbeiten gibt, erwähnt mit keinem Wort die Tausende von jugoslawischen Frauen und Kinder, die hier deportiert wurden, erinnert aber daran, dass hier in der Nachkriegszeit dalmatische und istrische Flüchtlinge aufgenommen wurden" (Capogreco, Gedenkstättenrundbrief 2001).
Aus der von Capogreco erwähnten Herberge für Pilger des Heiligen Jahres wurde im Jahr 2006 das „Ostello della Gioventù", eine Art Jugendherberge mit 120 Betten, deren Betreiber auf der Homepage knapp erwähnen, dass das Gebäude früher ein „campo di deportazione della IIa Guerra Mondiale" war (www.ostellolefraschette.it).

Monumento agli Internati 1942-1976
Im April 2016 ist auf Veranlassung der Associazione Nazionale Partigiani Cristiani (ANPC) Frosinone vor dem Eingang des ehemaligen Konzentrationslager eine kleine Gedenkstätte errichtet worden. Auf der an Ketten liegenden Bodenplatte neben dem Monumento agli Internati steht, dass es den Menschen gewidmet ist, „die während des Zweiten Weltkriegs aus ihrer Heimat gerissen und im Konzentrationslager Le Fraschette interniert wurden", den Bischöfen von Alatri, Triest und Gorizia, den Priestern und Nonnen und all jenen, die bis in die 1970er-Jahre in Le Fraschette daran beteiligt waren, das Leiden und die Verzweiflung der Flüchtlinge zu lindern.
Informationen über das vom faschistischen Italien errichtete Konzentrationslager, die Hintergründe der Deportationen und die Opfer fehlen noch immer.
Fraschette, Via Campo Le Fraschette


Literatur / Medien:

Capogreco, Carlo Spartaco: I campi del duce - L'internamento civile nell'Italia fascista (1940-1943), Turin 2004, S. 198-200; Capogreco, Carlo Spartaco: Das Lager Ferramonti und die faschistische Internierung, In: Gedenkstättenrundbrief 101 S. 3-15 (15. Juni 2001); de.wikipedia.org/wiki/KZ_Fraschette; campolefraschettealatri.blogspot.com; campifascisti.it/scheda_campo.php?id_campo=58; www.anpcfrosinone.it