Während der kurzen Periode der Litauischen Sowjetrepublik 1940/1941 ordnete der stalinistische Geheimdienst die Verhaftung und Deportation tausender Litauer an – unter ihnen zahlreiche Juden – und Polen. Die Repressionswelle erreichte ihren Höhepunkt im Juni 1941 mit der Deportation von ungefähr 17.000 Menschen, sog. antisowjetischen Elementen, in die Verbannungsgebiete der inneren Sowjetunion. Die Verschleppungen waren von der stalinistischen Polizei monatelang mit Namenslisten vorbereitet worden und setzten am 14. Juni 1941 mit brutaler Gewalt schlagartig im ganzen Land ein. „Rund um die Uhr wurden in den Städten und Dörfern Leute festgenommen und zu den Bahnhöfen gebracht, wo sie in bereitgestellte Güterwagen verfrachtet wurden“ (Schur 1999). Die von diesem Terror ausgehende Angst trug nicht nur zu der „Jubel-Stimmung“ bei, mit der viele Litauer den deutschen Einmarsch am 22. Juni 1941 als „Befreiung“ begrüßten. Sie forcierte auch die längst erklärte Bereitschaft der litauischen Führungsschicht und nun auch vieler Litauer, den von Nazideutschland propagierten, mörderischen Kampf gegen den „jüdischen Bolschewismus“ sich zur eigenen Sache zu machen (Kollaboration). Die Massentransporte der Verhafteten führten u.a. dazu, dass die für sowjetische Truppen bereitstehenden Waggons mit Deportationsopfern überfüllt auf den wenigen Bahnstrecken des Landes den Transport von Soldaten der Roten Armee in Richtung Abwehrfront blockierten.

Ein Drittel von ungefähr 17.000 Deportierten konnte erst Jahre später nach Litauen zurückkehren, ungefähr ein Viertel von ihnen ist umgekommen, das Schicksal von ca. 40% der Opfer ist unbekannt. Bei der in Litauen immer wieder aufgetauchten Behauptung, die Aktion des sowjetischen Geheimdienstes sei von kommunistischen Juden mit inszeniert worden, handelt es sich um eine antisemitische Legende.


Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 151–155; [Schur, Grigorij] Die Juden von Wilna. Die Aufzeichnungen des Grigorij Schur 1941–1944, hrsg. von W. Porudominskij, München 1999, S. 33f.; Tauber, Joachim: 14 Tage im Juni, in: Bartusevičius, Vincas / Tauber, Joachim / Wette, Wolfram (Hg.): Holocaust in Litauen. Krieg, Judenmorde und Kollaboration im Jahre 1941, Köln u.a. 2003, S. 40ff.