Vorgeschichte

Mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg.
Hitlers Entscheidung, gegen Polen Krieg zu führen, fiel im Frühjahr 1939. Doch schon am 3. Februar 1933, nach seiner Ernennung als Reichskanzler, hatte er der Wehrmachtsführung die „Eroberung neuen Lebensraums im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung“ (Böhler 2006, S. 28) angekündigt. Gegenüber Polen signalisierte er jedoch aus taktischen Gründen Verständigungsbereitschaft. Dies gehörte zur Strategie, sich den Nachbarländern als friedfertig darzustellen und gleichzeitig das französische Bündnissystem zu lockern. 1934 unterzeichneten der polnische und der deutsche Außenminister einen Nichtangriffspakt.
Als Hitler Anfang Oktober 1938 von der Tschechoslowakei die Abtretung des Sudetenlandes an das Dritte Reich erzwang (Münchner Abkommen), profitierte die Republik Polen ebenfalls von der Zerschlagung dieses Staates. Sie besetzte am 2./3. Oktober das zur Tschechoslowakei gehörende Teschener Olsagebiet und erhielt später weitere Gebietsteile zugesprochen.

Ab diesem Zeitpunkt brachte das Dritte Reich immer dringlicher territoriale Forderungen an Polen vor: Die Rückkehr Danzigs zum Reich und eine exterritoriale Eisenbahnlinie und Autobahn als Verbindung zwischen Pommern und Ostpreußen, die durch polnisches Gebiet, den „Korridor“, führen sollte. Die polnische Seite lehnte dies kategorisch ab. Auch verweigerte Polen die angebotene Partnerschaft bei einem Angriff auf die Sowjetunion (vgl. Antikominternpakt).

Am 30. Januar 1939 sprach Hitler vor dem Reichstag noch von der deutsch-polnischen Freundschaft. Doch als Großbritannien wenige Tage nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag am 15. März 1939 und der Zerschlagung der „Rest-Tschechei“ eine Garantieerklärung für Polens Grenzen abgab, der sich Frankreich anschloss, kam es im Frühjahr 1939 endgültig zur antipolnischen Kursänderung in der NS-Außenpolitik.

Am 11. April 1939 erteilte Hitler der Wehrmachtsführung die Weisung zur Kriegsvorbereitung. Es gehe dabei nicht um Danzig oder den „Korridor“, erklärte er, sondern um „die Erweiterung des Lebensraums und die Sicherung der Ernährung“ (Böhler 2006, S. 38). Die Beziehungen zwischen Berlin und Warschau verschlechterten sich nun ständig. Die deutsche Propaganda stellte die Schikanen polnischer Behörden gegen Angehörige der deutschen Minderheit in Polen als planmäßigen Vernichtungsfeldzug dar. Das polnische Vorgehen gegen die knapp 800.000 polnischen Staatsbürger deutscher Abstammung war aber in vielen Fällen nicht unbegründet: Viele von ihnen hatten sich „gleichgeschaltet“ (Wolf 2012, S. 66ff.), ihre „Jungdeutsche Partei“ wurde aus Berlin finanziert und unterhielt paramilitärische Parteimilizen, die sich auf Sabotageakte im Kriegsfall vorbereiteten (Böhler 2006, S. 48). Der aus ihnen hervorgegangene (volksdeutsche) „Selbstschutz“ spielte im Herbst 1939 eine Schlüsselrolle bei Exekutionen polnischer Aktivisten.

Wegen des geplanten Kriegsbeginns gegen Polen drängte Hitler auf einen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. Dieser wurde am 23. August 1939 in Moskau von den Außenministern unterzeichnet. Er enthielt ein geheimes Zusatzprotokoll, in dem die deutschen und sowjetischen Interessen am polnischen Territorium festgelegt wurden (vgl. Hitler-Stalin-Pakt). Unterdessen ordnete Hitler vor der Wehrmachtsspitze eine bisher ungekannte Rücksichtslosigkeit der Kriegsführung an: „Vernichtung Polens im Vordergrund. Ziel ist das Vernichten der lebendigen Kräfte, nicht das Erreichen einer bestimmten Linie“ (vgl. IMT, Protokoll-Band II, S. 325f.). Ein Teilnehmer notierte die Stichworte: „Herz verschließen gegen Mitleid. Brutales Vorgehen .Der Stärkere hat das Recht. Größte Härte.“

Beginn des Krieges

In den frühen Morgenstunden des 1. September 1939 begann unter dem Decknamen „Fall Weiß“ der Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen. Der Krieg gegen Polen überschritt von Anfang an die Grenzen des geltenden Kriegs- und Völkerrechts (Böhler 2006, S. 39) und war von Kriegsverbrechen begleitet: In der Nähe von Danzig beschoss der deutsche Kreuzer Schleswig-Holstein das polnische Depot auf der Westerplatte. Im Norden erschossen SS-Männer nach einem missglückten Handstreich bei der Weichselbrücke von Dirschau/Tczew etwa ein Dutzend polnische Eisenbahner, deren Wachsamkeit den Angriff vereitelt hatte (Böhler 2009: 67). Im Süden bombardierten mehrere Staffeln von Sturzkampfbombern die Kleinstadt Wieluń; 1200 Menschen wurden dabei getötet.
Erschießungen von polnischen und jüdischen Zivilisten waren sofort an der Tagesordnung. Über 150 Ortschaften und Städte wurden im Laufe des September 1939 durch die deutsche Luftwaffe zerstört. Vor allem Warschau sollte systematisch aus der Luft in Schutt und Asche gelegt werden (Böhler 2009, S. 171). Deutsche Soldaten brannten während der Kämpfe zahlreiche kleinere Orte als Racheakte für vermeintliche Partisanenangriffe (die es zu diesem Zeitpunkt nicht gab) nieder. Hitler stellte Plünderungen und Vergewaltigungen auch durch Wehrmachtssoldaten durch einen Amnestieerlass vom 4. Oktober straffrei (Böhler 2009, S. 217).
Auf dem Fuße der Wehrmacht folgten Ordnungspolizei, Gestapo und SS-Einsatzgruppen. Sie hatten die Aufgabe, im Rücken der kämpfenden Truppe jene „Vernichtung der lebendigen Kräfte“ des polnischen Volkes vorzunehmen, von der Hitler vor den Generälen gesprochen hatte. Ausgerüstet mit dem Sonderfahndungsbuch Polen, das mehr als 60.000 Namen von politischen Funktionären, ehemaligen Teilnehmern polnischer Aufstände, Intellektuellen, Geistlichen und anderen potentiellen Anführern eines polnischen Widerstandes umfasste, verhafteten sie diese und andere Polen und erschossen sie nach Standgerichtssitzungen oder ganz ohne Verfahren. Auch tausende polnischer Juden wurden schon in den ersten Wochen des Krieges bei sogenannten „Blitzpogromen“ ermordet. Die Gesamtzahl der Opfer dieser Mordaktionen wird auf etwa 50.000 bereits in den ersten drei Monaten der deutschen Besatzung geschätzt (Böhler 2009, S. 116).
Nach dem schnellen Vorrücken des „Polenfeldzugs“ durch das zahlenmäßige Übergewicht der deutschen Kräfte, vor allem der motorisierten Verbände, marschierte am 17. September die Rote Armee in die weißrussischen und ukrainischen Provinzen Ostpolens ein, vgl. Hitler-Stalin-Pakt.

Literatur/Medien
Böhler, Jochen: Auftakt zum Vernichtungskrieg. Die Wehrmacht in Polen, Frankfurt/Main 2006
Böhler, Jochen: Der Überfall. Deutschlands Krieg gegen Polen, Frankfurt/M. 2009