Kazimierz Sakowicz, polnischer Jurist und Journalist, war bis 1941 Herausgeber der polnischen Wochenzeitung „Wirtschaftswoche“ in Vilnius. Während der deutschen Besatzung gehörte er vermutlich der polnischen Untergrundarmee Armia Krajowa an. Er wohnte in Paneriai bei Vilnius, dem Ort der Massenmorde an 100.000 Juden, Polen und sowjetischen Kriegsgefangenen. Im Juli 1941 bemerkte er Schüsse in der Nähe seines Hauses und wurde bald darauf Ohrenzeuge der ersten Massenerschießung. Er begann daraufhin, alles, was er sah und hörte, auf Kalenderblättern oder einzelnen Notizzetteln tagebuchartig aufzuschreiben. Aus Angst vor Endeckung steckte Sakowicz seine Notizen in Flaschen, vergrub sie im Garten und im nahe gelegenen Wald. Er stellte Erkundigungen an bei Nachbarn, Bahnangestellten, Bauern und sprach auch mit litauischen Mördern. Soweit es ihm möglich war, notierte er die Zahl der zur Erschießung geführten Menschen, dokumentierte die Kennzeichen der Fahrzeuge, die sie zur Hinrichtung brachten, beschrieb die Uniform der Schergen, das Aussehen der Opfer, ihre Kleider und Habseligkeiten, die nach dem Tod von den Mördern verkauft wurden. Sakowicz wurde am 5. Juli 1944 von unbekannten Litauern angeschossen und erlag wenig später seinen Verletzungen. Der Mord wurde nie aufgeklärt.

Die Flaschen mit den Aufzeichnungen von Sakowicz wurden nach dem Krieg von den Nachbarn ausgegraben und dem damaligen Jüdischen Museum übergeben. Von dort gelangten die Dokumente in sowjetische Archive, wo sie von Shmerke Kaczerginski und Abraham Sutzkever entdeckt wurden. Von diesem Fund erzählten sie Rachel Margolis, ehemaliges FPO-Mitglied und Partisanin, während ihrer gemeinsamen Beschäftigung im jüdischen Museum vor dessen Auflösung 1949. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990er Jahren machte sich Margolis, inzwischen Leiterin der Abteilung Geschichte im neu gegrüneten Jüdischen Museum in Vilnius, auf die Suche. Sie fand einen Teil der Notizen Sakowiczs im Litauischen Staatlichen Zentralarchiv, einen anderen Teil im Litauischen Nationalmuseum, wohin große Teile der Archivbestände des ehemaligen Revolutionsmuseums transferiert worden waren. Sie entschlüsselte die Zettel, die z.T. mit einem Stempel ‚unleserlich‘ versehen waren, und veröffentlichte das rekonstruierte Tagebuch 1999 in (orginal) Polnisch, 2003 in Deutsch; 2005 wurde es von Yitzhak Arad in Englisch veröffentlicht. Eine Übersetzung in litauischer Sprache steht bisher noch aus.


Literatur / Medien
Arad, Yitzhak (Hg.): Ponary Diary 1941–1943. A Bystander's Account of a Mass Murder. Foreword by Rachel Margolis New Haven u. London 2006; Margolis, Rachel / Tobias, Jim G. (Hg.): Die geheimen Notizen des K. Sakowicz. Dokumente der Judenvernichtung in Ponary 1941–1943, Frankfurt/M. 2005; Schroeter, Gudrun: Worte aus einer zerstörten Welt. Das Ghetto in Wilna, St. Ingbert 2008, S. 116ff.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kazimierz_Sakowicz
http://defendinghistory.com/we-shall-never-forget-kazimierz-sakowiczs-ponary-diary/80124
http://www.lithuanianjews.org.il