Am 22. Juni 1941 überschritten über 3 Millionen deutsche Soldaten die Grenzen zur Sowjetunion, auch diejenige zur damaligen Sowjetrepublik Litauen, die an das damalige Ostpreußen grenzte. Der Angriff erfolgte unter Bruch des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes vom August 1939 (Hitler-Stalin-Pakt) und war seit einem Befehl Hitlers vom Dezember 1941 unter dem Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ als sog. Blitzkrieg mit rascher Durchquerung der baltischen Staaten in Richtung Leningrad (heute St. Petersburg) vorbereitet. Der Plan war auf die Vernichtung des „jüdisch-bolschewistischen Systems“ gerichtet. Judentum und Kommunismus waren die „Todfeinde“ und sollten ausgelöscht werden.
Strategisches Gesamtziel des Angriffs war die Ablösung Großbritanniens als damalige Weltmacht, die Niederwerfung der Sowjetunion und die Schaffung eines deutschen Kolonialreichs mit „Lebensraum im Osten“. Grundlage dafür waren die Erschließung der wirtschaftlichen Ressourcen, vor allem der Ölfelder in Südrussland, sowie die Sicherung von Nahrungsreserven, um die deutsche Hegemonie in Europa auf Dauer sicherzustellen. Ausbeutung der Nahrungsquellen der Sowjetunion bedeuteten nicht nur Sicherung der Kriegsmoral der einheimischen Bevölkerung durch deren Lebensmittelversorgung, sondern auch die Verweigerung ausreichender Ernährung mit geplanter Hungerpolitik für die Bevölkerung der besetzten Sowjetunion und für die sowjetischen Kriegsgefangenen (s. auch Generalplan Ost).
Die überraschten Truppen der Roten Armee sollten eingekesselt werden, doch sie konnten sich im Chaos des Rückzugs unter schweren Verlusten der Umklammerung im Baltikum, der nördlichen Angriffsfront, entziehen. Kaunas, Vilnius und die Industriestadt Šiauliai waren nach wenigen Tagen eingenommen, Ende Juni war Litauen deutsches Besatzungsgebiet. Dort war von den deutschen Geheimdiensten in Zusammenarbeit mit litauischen Exilpolitikern und antisowjetischen Untergrundgruppen ein weit verzweigtes Spionagesystem aufgebaut worden (Kollaboration, LAF). Die Stimmung der Bevölkerung war von den kurz vor dem deutschen Einmarsch vom sowjetischen Geheimdienst eingeleiteten Deportationen geprägt, denen über 20.000 „antisowjetische Elemente“ – Litauer, Polen, litauische Juden – zum Opfer gefallen waren. Viele Litauer begrüßten die Deutschen als Befreier.
Die deutschen Truppen hielten sich – von Ausnahmefällen z.B. in Palanga oder in Vilnius abgesehen – äußerlich von der unmittelbar mit dem Einmarsch einsetzenden Gewaltorgie litauischer Aufständischer und der sofort nachgerückten SS-Einsatzgruppen zurück. Sie ließen die Jagd auf Juden und Kommunisten jedoch „sehenden Auges“ geschehen, wie zahllose Augenzeugen und Dokumente berichten, und griffen nicht ein, da die Arbeitsteilung zwischen Heeres- und SS-Führung im Sinne einer gegenseitigen „Nichteinmischung“ abgestimmt war. Verantwortlich für die Jagd und die Ermordung der litauischen Juden und Kommunisten waren zwar die Killerkommandos der SS und deren Kollaborateure. Die Wehrmacht jedoch war für das Schicksal der innerhalb weniger Wochen zu zehntausenden in Gefangenschaft geratenen sowjetischen Kriegsgefangenen verantwortlich. Deren völkerrechtswidrige Behandlung in Lagern (Zwangsarbeit, Unterversorgung mit massenhaftem Sterben, tausendfache Ermordung) kostete bis zur Befreiung Litauens durch die Rote Armee im Herbst 1944 allein dort ungefähr 170.000 Kriegsgefangenen das Leben. Diese Verbrechen geschahen nicht zuletzt auf der Grundlage verbrecherischer Befehle der Wehrmachtsführung.
Der „schnelle Feldzug“, den Hitler befohlen und geplant hatte, kam schon nach wenigen Wochen ins Stocken, im Dezember 1941 mit der gescheiterten Eroberung von Moskau schließlich zum Erliegen. Der geplante Vernichtungs- und Kolonialkrieg kehrte sich vom Jahresende 1942 an in die Vernichtung der deutschen Angreifer um; er endete mit der bedingungslosen Kapitulation vom 8./9. Mai 1945 und der damit verbundenen Befreiung Europas vom deutschen Faschismus.
Literatur / Medien
Bartusevičius u.a. (Hg.): Holocaust in Litauen, 2003; Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 234ff., 267ff.; Enzyklopädie des Holocaust (Stichworte Barbarossa und Ostfeldzug), hrsg. von Jäckel / Longerich / Schoeps, München 1995; Gilbert, Martin: Die Vertreibung und Vernichtung der Juden. Ein Atlas, Hamburg 1982, (Karte S. 65); Kaiser, Wolfgang (Hg.): Der Überfall auf die Sowjetunion und der Völkermord an den Juden, München 2002; Ueberschär, Gerd R. / Wette, Wolfram (Hg.): Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. "Unternehmen Barbarossa" 1941, Frankfurt/M. 1991
https://de.wikipedia.org/wiki/Unternehmen_Barbarossa
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Sowjetischer_Krieg
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/ueberfall-auf-die-sowjetunion-1941.html
http://www.holocaustresearchproject.org/nazioccupation/sovietunion.html
https://www.ushmm.org/wlc/en/article.php?ModuleId=10005164
http://www.holocaustresearchproject.org/ghettos/images/Germans%20move%20towards%20kovno.gif (Foto Einmarsch, H.E.A.R.T)