Als Janina Siestrzewitowska geboren, trat sie nach ihrem Studium an der Universität Krakau in den Dominikanerorden ein, nahm den Ordensnamen "Mutter Bertranda" an und leitete als Oberin das "Kloster der kleinen Schwestern" in Kolonia Wileńska nahe dem damals polnischen Wilno (Vilnius). Nach dem Einmarsch der Deutschen in Vilnius am 24. Juni 1941 setzte sie sich für die verfolgten Juden der Stadt ein und versuchte vergeblich, dafür die Unterstützung der katholischen Würdenträger zu gewinnen. Als sie von den Massakern in Paneriai erfuhr und gebeten wurde, Juden in ihrem Kloster zu verstecken, nahm sie mehrere Dutzend Juden auf, unter ihnen Mitglieder der zionistischen Jugendorganisation Hashomer. Sie hatte dabei nicht nur die Unterstützung der Nonnen ihres Klosters, sondern auch die der Oberin der Erzdiozöse ihres Ordens in Vilnius. Die Männer und Frauen, unter ihnen Abba Kovner, der spätere Leiter der Widerstandsgruppe und Abraham Sutzkever, halfen den Nonnen bei der harten Feldarbeit. Aus Angst vor Denunziation waren sie in Nonnenkleider gesteckt. Abba Kovner entwarf im Kloster seinen Aufruf "Wir lassen uns nicht wie Schafe zur Schlachtbank führen", der auch im Kloster gedruckt und am 1. Januar 1942 im Ghetto von Vilnius verteilt wurde. Als die Mitglieder der Gruppe ins Ghetto zurückkehrten und den Widerstand organisierten, wurden sie von Schwester Betranda und anderen Nonnen des Klosters weiter unterstützt. Die Nonnen versteckren Waffen und Munition, unter ihren Kleidern und brachren sie in das Ghetto. Im September 1943 wurde Schwester Bertranda von den Deutschen verhaftet und in ein Arbeitslager in der Nähe von Kaunas deportiert. Die anderen Nonnen mussten das Kloster, das geschlossen wurde, verlassen.

Ehrung in Yad Vashem 1984 (YV)Nach dem Krieg ließ sich Schwester Betranda/Anna Borkowksa von ihrem Gelübde entbinden und verließ den Orden. Ihre Rettungstaten wurden von den nach Israel emigrierten Überlebenden nicht vergessen. Doch erst 1984 hatte Abba Kovner, der ihr in Israel das Gedicht "Meine kleine Schwester" gewidmet hatte, erfahren, dass sie mit Wohnsitz in Warschau noch lebte. Im gleichen Jahr wurde sie und sechs Nonnen des Klosters von der Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechte unter den Völkern" anerkannt. Abba Kovner selbst besuchte die 84 Jährige in ihrer kleinen Wohnung in Warschau und überreichte ihr die Anerkennung in feierlichem Rahmen. Auf ihre Frage, warum sie diese Ehre verdiene, antwortete Abba Kovner: "Während der Tage, als Engel ihr Antlitz vor uns verbargen, war diese Frau für uns Anna der Engel. Nicht Engel, die wir in unseren Herzen erfinden, sondern Engel, die ... Leben schaffen."

Literatur / Medien
Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 1199; Paladiel, Mordechai: Es gab auch Gerechte. Retter und Rettung jüdischen Lebens im deutschbesetzten Europa 1939-1945, hrsg. von Wiehn, Erhard Roy, Konstanz 1999
S. 90-93; Porat, Dina: The Fall of a Sparrow. The Life and Times of Abba Kovner, Stanford 2010
https://en.wikipedia.org/wiki/Anna_Borkowska_(Sister_Bertranda)
http://db.yadvashem.org/righteous/righteousName.html?language=en&itemId=4014050 (Foto)