Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, benannt nach dem Partei-Ideologen des NS-Regimes, betrieb mit Ermächtigung Hitlers die systematische Beschlagnahme und den Raub von Kunst- und Kulturschätzen in den von Nazi-Deutschland besetzten Ländern Europas. Betroffen waren vor allem Archive, Bibliotheken und Kulturschätze jüdischer Gemeinden. In Litauen galt dies für alle Synagogen und jüdischen Kultureinrichtungen, in Vilnius, dem traditionsreichen Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit, waren u.a. das wissenschaftliche jüdische Institut YIVO und die großen jüdischen Bibliotheken der Stadt betroffen.

Ab September 1941 galt auch für Litauen die Anweisung an die Besatzungsbehörden, alle jüdischen Kulturgegenstände, religiöse und säkulare, zu beschlagnahmen und zunächst, meist in Synagogen, zu horten. Mitarbeiter des Einsatzstabes sortierten die als wertvoll erachteten Gegenstände und Bücher für die Sammlung im „Institut zur Erforschung der Judenfrage“ in Frankfurt a.M. aus; die als wertlos eingeschätzten Bestände wurden zerstört bzw. der Papierverwertung überlassen.

Ab Februar 1942 rekrutierte die Außenstelle des Einsatzstabes in Vilnius Mitarbeiter der Ghetto-Bibliothek mit dem Auftrag, im Gebäude des YIVO die aus der Strashun-Bibliothek, aus Synagogen, Büchereien, Schulen oder Privatsammlungen zusammengetragenen Bestände an Büchern, Dokumenten, Handschriften und Kulturgütern zu sammeln und zu sortieren. Die Zahl der von Hermann Kruk geleiteten Arbeitskräfte stieg auf nahezu fünfzig Mitglier. Dieser „Papierbrigade“, die vor allem aus jüdischen Schriftstellern und Intellektuellen bestand, unter ihnen Abraham Sutzkever und Shmerke Kaczerginski, gelang es unter Lebensgefahr, wertvolle Bücher, Manuskripte, Dokumente und Kunstwerke in das Ghetto zu schmuggeln, sie dort oder mit Hilfe litauischer Unterstützer*innen außerhalb des Ghettos zu verstecken und sie auf diese Weise zu retten. Von etwa 100.000 Büchern wurden von den Mitarbeitern des Einsatzstabes ca. 20.000 nach Frankfurt a.M. geschafft, ca. 80.000 wurden als "Rohmaterial" an Papierfabriken verkauft. 

Die geraubten und als wertvoll taxierten Buchbestände wurden in das Frankfurter Institut gebracht und, soweit nach dessen Zerstörung im Krieg noch erhalten, nach Kriegsende in das Offenbach Archival Depot (OAD) gebracht, der zentralen Sammelstelle in der amerikanischen Besatzungszone für geraubte Bücher, Manuskripte, Dokumente und Ritualgegenstände. Die geretteten Bestände wurden jüdischen Organisationen, u.a. dem YIVO übergeben.


Literatur / Medien
Bollmus, Reinhard: Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, in: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hrsg. von Wolfgang Benz u.a., München 2007, S. 486ff.; Dieckmann 2011, Bd. 2, S. 1041ff.
https://de.wikipedia.org/wiki/Einsatzstab_Reichsleiter_Rosenberg
https://de.wikipedia.org/wiki/Institut_zur_Erforschung_der_Judenfrage#Sammelstelle_f.C3.B
https://de.wikipedia.org/wiki/Offenbach_Archival_Depot
http://www.jta.org/2012/12/16/the-archive-blog/the-paper-brigade