Hintergrund
Am 12. November 1942 erklärte Himmler als „Reichskommissar für die Festigung des Deutschtums“ den Kreis Zamość im Südosten Polens „zum ersten deutschen Siedlungsbereich“ im Generalgouvernement, bis Sommer 1943 sollten Teile der Region deutsch besiedelt werden. Planung und Durchführung der Aktion Zamosc lagen bei Odilo Globocnik, oberster SS-Führer im Distrikt Lublin, der auch die Ermordung der jüdischen Bevölkerung im GG leitete (vgl. Aktion Reinhardt).

'Rotunde' in Zamość , u.a. Umsiedlungslager, heute Mausoleum des Martyriums der Region Zamość; Foto: pl.wikipedia

Die „Aktion Zamość“ war ein erster Versuch, deutsche Kriegsziele wie „Neuer Lebensraum im Osten“ umzusetzen, und zwar durch Verdrängung, Vertreibung bzw. Ermordung der ansässigen Bevölkerung, verbunden mit „Germanisierung“ und Kolonisierung von Gegenden in den annektierten Gebieten Polens (z.B. Warthegau) sowie weiterer Gebiete, die man im Rahmen des Kriegs gegen die Sowjetunion zu erobern suchte. Nah- und Fernziele sind umfassend im sog. „Generalplan Ost“ beschrieben. Die von ihrer polnischen Bevölkerung leergeräumten und mit (volks)-deutschen Ansiedlern bewohnten Dörfer sollten als „Siedlungsbrücke“ zu anderen deutschen Wohngebieten in annektierten polnischen Regionen und noch zu erobernden Gebieten in der Sowjetunion dienen.

Durchführung

Am 27./28. November 1942 begannen deutsche Einheiten, die Dörfer zu umstellen, die gesamte Bevölkerung zusammen zu treiben und - mit Handgepäck und 20 Zloty pro Person - in ein Sammellager zu transportieren (z.B. die Durchgangslager in Zamość, auf dem Gelände des ehemaligen Ghettos). Beteiligt waren Ordnungspolizei (OrPo), SD, SS-Landwacht, Einheiten der Wehrmacht und Luftwaffe aus Bilgoraj und Zamość. Leitung hatte die Umwandererzentralstelle (UWZ) in Litzmannstadt/Lodz unter Hermann Krumey, sie richtete eine Zweigstelle in Zamość ein.

Das brutale Vorgehen der deutschen Kräfte stieß bald auf Widerstand. Mehr als die Hälfte Gesuchten entzog sich dem Zugriff durch Flucht in die Wälder oder zu Partisanen. Zusammen mit Bauernbataillonen und neu gebildeten Partisanengruppen der Heimatarmee verwickelten sie die Deutschen in bewaffnete Zusammenstöße. In Polen wird diese Phase manchmal „Aufstand von Zamosc“ genannt. Um den Widerstand zu brechen und die Ansiedlung Deutscher durchzusetzen, griffen die Deutschen zu Kollektivstrafen. Regionen wurden zu „Bandenkampfgebieten“ erklärt. Bei sog. Pazifizierungen der Aktionen Werwolf I und II wurden ganze Dörfer niedergebrannt. Starke Polizei- und Wehrmachtseinheiten waren beteiligt, allein an der Aktion Sturmwind drei Divisionen. Wegen des Kriegsverlaufs, des zunehmenden Widerstands und 'mangels ausreichender Polizeikräfte' – so die offizielle Version - wurde die Aktion im August 1943 beendet.

Rassistische Selektierung

Nur knapp die Hälfte der für die Aussiedlung Vorgesehenen kam in den Lagern an, die anderen waren geflüchtet. Die Menschen wurden in Übergangslagern (z.B. der 'Rotunde' in Zamość oder im 30 km entfernten Zwierzyniec nach vier Wertungsgruppen (vgl. Sachstichwort 'Deutsche Volksliste') selektiert. Etwa ¾ wurden für (Zwangs-)Arbeitseinsätze nach Deutschland gebracht werden, Kinder unter 14 und Alte über 60 Jahre wurden in „Rentendörfer“ gebracht, das waren Dörfer, deren jüdische Einwohner*innen in den deutschen Vernichtungslagern ermordet worden waren; „Eindeutschungsfähige“ wurden über die UWZ nach Deutschland geschickt.

Die 'Kinder von Zamość'

Etwa 30000 Kinder waren unter den Opfern (in Polen läuft die Aktion auch unter dem Namen ‚dzieci zamojszczyzny‘) Viele wurden dabei von ihren Eltern getrennt; ein Teil von ihnen wurde in Lager für Kinder verschleppt, z.B. in das Polen-Jugendverwahrlager der Sicherheitspolizei in Lodz/Litzmannstadt oder dessen Nebenlager für Mädchen in Dzierżązna. Andere wurden mit ihrem Vater oder Mutter in das KZ Auschwitz deportiert: z.B. Czesława Kwoka, geb. 1928, im Lager Zamość wie ihre Mutter in Stufe IV bewertet; starb am 12. März 1943; Todesursache nicht vermerkt; es wird vermutet, dass sie durch eine Phenol-Spritze getötet wurde (vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Czes%C5%82awa_Kwoka). Rund 4500 Kinder wurden - u.a. aufgrund ihres Aussehens, blond und blauäugig – als „eindeutschungsfähig“ nach Deutschland gebracht, zur Adoption freigegeben oder in ein „Lebensborn“-Heim gegeben. Hunderte blieben trotz der Suchaktionen in der Nachkriegszeit vermisst.

Bilanz der Aktion Zamość

Um polnische Gebiete zu 'germanisieren' und mit deutschen Siedlern zu kolonisieren, vertrieben SS, Polizei- und Wehrmachtseinheiten gewaltsam 110.000 Menschen aus 300 Dörfern; die Mehrheit flüchtete in die Wälder oder zu Partisanen. In den leeren Dörfern fanden rund 9000 volksdeutsche Siedler bis Herbst 1944 eine kurzfristige Bleibe, sie kamen vor allem aus Bessarabien (heute: Moldawien) und der Bukowina (heute: Ukraine und Rumänien) und hatten teilweise schon bis zu zwei Jahren in Lagern in Deutschland gewartet. Fast alle flüchteten im Sommer/Herbst 1944 vor der anrückenden Roten Armee nach Deutschland.

 

Gedenkstein an die Kinder von Zamość

Gedenktafel vor dem ehem. Lager in der ul S. Okrzei; Foto: pl.wikipedia

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedenken

Die Inschrift auf einem Gedenkstein in Zamość lautet: "Den Kindern aus der Region um Zamość, die zwischen 1942 und 1943 durch die Hitlerdeutschen ermordet oder verschleppt wurden. Zum 20. Jahrestag der Aussiedlung und Pazifikation. Die Einwohner der Region um Zamość...“ (am westl. Rand der Altstadt, Grünanlage Ecke ul. Krolowej Jadwigi /ul. Akademicka / ul. Pereca).
Auf einer Gedenktafel vor dem ehemaligen Lager in der ul. Stefana Okrzei in Zamość ist zu lesen: „Hier befand sich das ehemalige Konzentrationslager für vertriebene Einwohner der Region Zamość. Über 70000 Personen wurden in diesem Lager festgehalten. Mehrere tausend, vor allem Kinder, starben an Hunger, Kälte und Krankheiten“.

Literatur/Medien
Gutman u.a.: Holocaust-Enzyklopädie, S. 1621f.
Koachnowski, Jerzy/Kosmala, Beate (Hg.): Deutschland, Polen und der Zweite Weltkrieg. Geschichte und Erinnerung, 2. Auflage, Potsdam/Warschau 2013, S., 288f. 'Generalplan Ost' und S. 457f. 'Zamość-Region'
Müller, Rolf-Dieter: Hitlers Ostkrieg und die deutsche Siedlungspolitik. Die Zusammenarbeit von Wehrmacht, Wirtschaft und SS, Frankfurt am Main 1991
Schumann, Wolfgang/Nestler, Ludwig/Red. Werner Röhr: Die faschistische Okkupationspolitik in Polen (1939 – 1945), Köln 1989, S. 63ff., 134ff., 236ff.
Benz u.a.: Enzyklopädie NS, S. 882
https://www.polish-online.com/geschichte-polen/zamosc-himmlerstadt.php
http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/4258 (betr. das Dorf Skierbieszów)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=13540 "Kinder von Zamosc"
https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1977_4_8_jacobmeyer.pdf (über Widerstand in Polen)
https://en.wikipedia.org/wiki/Action_Zamo%C5%9B%C4%87