— Eine Übersicht —

Großfürstentum Litauen (13./14. Jahrhundert)
Litauen stieg zum Flächenstaat zwischen Ostsee und Schwarzem Meer auf. Die Einwanderung von Juden aus deutschen und polnischen Gebieten begann.

Polnisch-Litauischer Doppelstaat (15. bis 18. Jahrhundert)
Unter Fürst Jogaila, nach dessen Heirat mit der polnischen Thronfolgerin 1386 polnischer König, wurde dem Land die römisch-katholische Religion verordnet. Daraus entstand ein religiöses Bollwerk gegen den von Ostpreußen aus andrängenden, 1410 dann bei Tannenberg entscheidend geschlagenen Deutschritterorden. Es folgten drei Jahrhunderte mit zunehmendem Übergewicht der polnischen Adelsklasse und deren Kultur, Polnisch wurde zur Nationalsprache, Litauisch zur „Bauernsprache“. Die jüdischen Gemeinden begannen aufzublühen, verloren jedoch gleichzeitig schrittweise ihren königliche Schutz, während ihre Abhängigkeit von adeligen Grundherren zunahm. Zwischen 1772 und 1795 teilten die Großmächte Russland, Österreich und Preußen den polnisch-litauischen Staat untereinander auf, Litauen wurde 1795 Teil des zaristischen Russland.

Russische Herrschaftsperiode (19. Jahrhundert)
Litauen mit den Verwaltungszentren Vilnius und Kaunas blieb bis zur Besetzung durch Deutschland im Ersten Weltkrieg (1915) Bestandteil des Zarenreichs. Im Verlauf dieses Zeitabschnitts wurde die jüdische Bevölkerung zunehmend in besondere Wohnviertel der Städte gedrängt, landwirtschaftliche Tätigkeit wurde Juden verboten. Die „Verstädterung“ führte zur Dominanz von Juden in Handel und Handwerk, später auch bei der industriellen Entwicklung.

Nationalbewegung (19. Jahrhundert)
Die Entstehung der Nationalbewegung in Litauen war eng mit der Wiederbelebung der litauischen Sprache verbunden. Der erfolglose litauisch-polnische Aufstand von 1863 gegen das zaristische Regime führte zwar zu verschärfter Russifizierung und zum Verbot der litauischen Sprache. Die im Untergrund verbreiteten litauisch-sprachigen Zeitschriften und Bücher popularisierten jedoch die Idee einer kulturell-politischen Eigenständigkeit. Zentrum der litauischen Nationalbewegung wurden die Universität und die Stadt Vilnius, die sich zu einem multikulturellen Kosmos aus Litauern, Polen, Russen, Ruthenen und nicht zuletzt aus Juden entwickelten.

Der Weg zum Nationalstaat (20. Jahrhundert)
Von 1905 an, dem Jahr der ersten russischen Revolution, wurden die Forderungen nach litauischer Autonomie, kultureller Eigenständigkeit und der Zulassung des Litauischen als Amtssprache immer lauter. Die Distanz zur polnischen Nationalbewegung nahm zu. Die anhaltende zaristische Herrschaft brachte im Ersten Weltkrieg zunächst für die Bevölkerung unterschiedslos massenhafte Zwangsevakuierung von Polen, Litauern und von litauischen Juden durch das russische Militär in das innere Russlands. Die nach dem Sieg der Deutschen über die zaristische Armee in Litauen installierte deutsche Militärverwaltung (1915–1918) entwickelte sich zu einem brutalen Besatzungssystem mit wirtschaftlicher Ausbeutung, mit Zwangsarbeit, Hunger, Armut und sozialem Elend. Umso populärer wurde die Forderung nach Eigenstaatlichkeit auch in der breiten Bevölkerung. Die russische Oktoberrevolution (1917) und die Niederlage Deutschlands ermöglichten schließlich 1918 die Entstehung des litauischen – auch des lettischen und estnischen – Nationalstaates. Auf dem Gebiet der nun unabhängig gewordenen baltischen Staaten folgten allerdings bis in das Jahr 1920 erbitterte Kämpfe unter Beteiligung national-baltischer Verbände, brutal vorgehender deutscher Freikorps, die die deutsche Niederlage nicht anerkennen wollten, revolutionärer und gegenrevolutionärer Russen sowie französischer und britischer Interventionstruppen.

Das von Polen besetzte Vilniuser Land (1921)Für Litauen endete der Erste Weltkrieg in Wirklichkeit nicht mit der 1918 errungenen Unabhängigkeit, sondern erst mit der mangels westlicher Unterstützung hingenommenen Besetzung Südlitauens durch Polen (1920–1922) und dem damit verbundenen Verlust der Hauptstadt Vilnius. Kaunas wurde provisorische Hauptstadt und Regierungssitz. 1922 wurde die liberal-parlamentarische Verfassung verabschiedet. 1923 annektierte Litauen das Klaipeda-Gebiet (Memelland) an der Ostseeküste, das seit 1918 unter französischer Verwaltung gestanden hatte. Der Verlust Südlitauens mit Vilnius machte antipolnische Emotionen zunehmend zum Mittelpunkt der innenpolitischen Auseinandersetzungen der „Zwischenkriegszeit“.

Demokratischer Anfang (1918 bis 1926)
Die 1918 ausgerufene Republik fand nach den schweren Nachkriegskämpfen auf ihrem Territorium erst dann zu einer relativen Stabilität, als 1920 die Sowjetunion als erster Staat Litauen völkerrechtlich anerkannt hatte, die ausländischen Interventionstruppen abgezogen waren und das Klaipeda-Gebiet gewaltsam in das Staatsgebiet integriert worden war. Innenpolitisch dominierten zunächst die katholisch-bäuerlich orientierten Christdemokraten mit absoluter Parlamentsmehrheit, die sie 1926 bei Wahlen verloren. Die Regierung wurde nun von einer liberal-sozialdemokratischen Regierung gestellt.

Smetona-Diktatur (1926 bis 1940)
Ende 1926 stürzte ein Militärputsch, der von der völkischen, antiparlamentarischen und antisemitischen Partei Tautininkai unter Antanas Smetona und Augustinas Voldemaras getragen wurde, die links-liberale Regierung. Die Putschisten setzten Smetona als Präsidenten ein, der sich mit einer 1928 dekretierten Verfassung diktatorische Vollmachten verschaffte, jegliche Opposition unterdrückte, Pressezensur einführte und parlamentarische wie rechtsstaatliche Kontrolle abschaffte. Aus seiner eigenen Partei heraus erwuchs dem Regime radikal-nationalistische Konkurrenz: Die Organisation „Eiserner Wolf“ unter Führung von Voldemaras stützte sich auf nationalistische Armeekreise und entwickelte sich bis Ende der 1930er Jahre zu einer faschistischen, antisemitischen Organisation mit engen Verbindungen zur deutschen NSDAP. Die kommunistische und die sozialdemokratische Partei wurden verboten. Die rechtsextremen Kräfte Litauens gewannen an Stärke, die Feindschaft gegenüber Polen wegen des litauischen Anspruchs auf das Vilnius-Gebiet und gegenüber den „fremdvölkischen“ Juden im Land nahm zu.

Nach der im März 1939 von der deutschen Regierung erpressten „Abgabe“ des Klaipeda-Gebiets an Deutschland schlossen sich weite Teile des litauischen Offizierskorps der Bewegung „Eiserner Wolf“ an. Deren rechtradikale Führungselite wurde kurz vor der sowjetischen Machtübernahme im Juni 1940 unter Smetona zwar teilweise inhaftiert, ein Teil der Führung setzte sich jedoch nach Deutschland ab und organisierte von Berlin aus einen antisowjetischen Aufstand, der parallel zum Einmarsch der deutschen Truppen im Juni 1941 auch in Gang kam (Litauischer Aufstand). Angehörige dieser Führungselite kehrten mit den einmarschierenden deutschen Truppen nach Litauen zurück und übernahmen in Kollaboration mit der deutschen Besatzung ab Juni 1941 wichtige Funktionen – nicht zuletzt bei der Vernichtung der litauischen Juden.

Die sowjetische Republik (1940/1941)
Dem Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939, der das polnische Staatsgebiet zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufteilte, folgte im September 1939 ein zusätzlicher deutsch-sowjetischer Grenzvertrag, der Litauen einschließlich des bislang polnischen Vilnius-Gebietes der sowjetischen Interessensphäre zuordnete. Die Sowjetunion setzte im Oktober 1939 zunächst vertraglich die Errichtung von Truppenstützpunkten in Litauen durch. Nach der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs mit den deutschen Angriffen auf Polen (1939), Dänemark, Norwegen und Frankreich (1940) folgte für Litauen die vollständige militärische Besetzung durch sowjetische Truppen und im Juli 1940, nach undemokratischen Wahlen mit einer Einheitsliste, die Bildung einer sowjetischen „Volksregierung“. Noch im Juli 1940 schloss sich die neue litauische Sowjetrepublik der UdSSR an. Das Regime verbot alle national-litauischen Verbände und Parteien, eine Entwicklung, auf die nationale, antisowjetische Gruppierungen im Untergrund mit bewaffnetem Widerstand reagierten. Diese Untergrundgruppen wurden zunehmend von der Führung der rechtsextremen Exilorganisation aus Deutschland gelenkt. Die sowjetische Regierung und ihr Geheimdienst antworteten mit Massenverhaftungen und Deportationen in die innere Sowjetunion. Tausende Litauer, Polen und litauische Juden fielen diesen Verfolgungen zum Opfer, deren letzte Welle in den Tagen des deutschen Einmarschs im Juni 1941 noch im Gang war (vgl. Stichworte: Überfall auf die Sowjetunion; Jüdisches Litauen).

Die deutsche Besatzung (1941 bis 1944)
Mit dem Überschreiten der litauischen Grenze durch die deutsche Wehrmacht am 22. Juni 1941 begann die bis Herbst 1944 andauernde deutsche Besatzung. Die unter deutscher Verantwortung begangenen Kriegs- und Besatzungsverbrechen werden in den Abschnitten „Gedenkorte“, „Sachstichworte“ und „Kurzbiographien“ dargestellt (s. auch Einführung).


Literatur/Medien
Dieckmann 2011, Bd. 1, S. 45ff., 147ff.; Gräfe, Karl Heinz: Vom Donnerkreuz zum Hakenkreuz, Berlin 2010, S. 1ff., 82ff.; Milosz, Czeslaw: Die Straßen von Wilna, München 1997; Tauber, Joachim / Tuchtenhagen, Ralph: Vilnius. Kleine Geschichte der Stadt, Köln 2008; Venclova, Tomas: Vilnius. Eine Stadt in Europa, Frankfurt/M. 2006;
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Litauens
https://de.wikipedia.org/wiki/Polnisch-Litauischer_Krieg (Karte)
https://www.alles-ueber-litauen.de/litauen-geschichte/litauen-1940.html
http://www.untilourlastbreath.com/Bart4history.html
http://www.untilourlastbreath.com/Bart4history2.html
http://www.litauen.info/geschichte/krieg-und-nachkriegszeit-in-litauen/ (Beispiel von Geschichtsfälschung!)