Bereits unter der Sowjetregierung 1940/41 war jüdisches (und litauisches) Vermögen in großem Umfang verstaatlicht worden. Diese Verstaatlichungen wollte die provisorische litauische Regierung (Juni/Juli 1941) beibehalten, doch die Deutschen zogen diese Konfiszierungen an sich, denn sie „ … sahen das jüdische Vermögen von vornherein als Dispositionsmasse für ihre eigenen Zwecke an“ (Dieckmann 2011). Es diente ab sofort der unmittelbaren Nutzung der Kriegswirtschaft durch die Besatzungsbehörden und die Wehrmacht; es diente der Aneignung durch SS und NS-Behörden, nicht zuletzt zur persönlichen Bereicherung, zur Korruption, auch zur örtlichen Versteigerung oder Verteilung unter der Bevölkerung. Für die „Vereinnahmung“ jüdischen Vermögens war die Finanzabteilung des Reichskommissariats in Riga zuständig (1942 bis 1944 unter der Leitung des Juristen mit NS-Karriere F.K. Vialon, nach 1949 Staatssekretär in der Regierung Adenauer).

Der unmittelbar nach dem deutschen Einmarsch einsetzende Raubzug richtete sich gegen alle nur erdenklichen Vermögenswerte jüdischer Eigentümer: Häuser, Firmen und Fabriken, Möbel, wertvolle Gebrauchsgegenstände, Bargeld, Sparbücher, Devisen, Gold und Edelsteine, Schmuck, Kultureinrichtungen, Bankguthaben. Ausgeführt wurde er mit administrativen und brutalen Methoden: Beschlagnahme, Ablieferungsbefehle, Erpressung und Geiselnahme durch Angehörige der SS-Einsatzkommandos 9 und 3, der deutschen Zivilverwaltung und der örtlichen litauischen Verwaltung. Am Rand der vielen Orte der Massenerschießungen – z.B. in Paneriai – entwickelte sich nach den Exekutionen eine Art Leichenfledderei, als Litauer sich die Kleidungsstücke der kurz zuvor exekutierten Juden aneigneten. „Für die Deutschen bedeuten 300 Juden 300 Feinde der Menschheit, für die Litauer 300 Paar Schuhe, 300 Hosen usw.“ (Sakowicz 2005). Mitglieder der deutschen Besatzungsverwaltung „bedienten“ sich noch wesentlich dreister an erpresstem und geraubtem jüdischen Eigentum, wie das Beispiel des Stadtkommandanten von Kaunas, Hans Cramer, zeigt: als er Kaunas im Herbst 1944 verließ, „ … begleitete ihn neben seinen Koffern ein ganzer Waggon mit Wertsachen“ (Matthäus 1999).

Literatur
Dieckmann 2011, Bd. 2, zu Vilnius S. 972–974, S. 1022–1046 (Zitat S. 1023); zu Kaunas S. 942ff.; Matthäus, Jürgen: Das Ghetto Kaunas und die „Endlösung“ in Litauen, in: Benz, Wolfgang / Neiss, Marion (Hg.): Judenmord in Litauen, Berlin 1999, S. 97–112 (Zitat S. 111); [Sakowicz, Kazimierz] Die geheimen Notizen des K. Sakowicz: Dokumente zur Judenvernichtung in Ponary 1941–1943, hrsg. von Rachel Margolis und Jim Tobias, Frankfurt/M. 2005 (Zitat S. 53)